Im Gastkommentar erläutert der Philanthrop und Microsoft-Mitgründer Bill Gates drei Maßnahmen, wie man dem Coronavirus Herr werden kann.

In den vergangenen Wochen habe ich mit zahlreichen Fachleuten über Covid-19 gesprochen und Eines steht fest: Das Virus ist in mehrerlei Hinsicht diskriminierend. Ältere Menschen sterben eher als jüngere, Männer öfter als Frauen und die Ärmsten unter uns trifft es unverhältnismäßig stark. Keinerlei Diskriminierung nimmt es aber in Bezug auf die Staatsangehörigkeit vor. Grenzen sind diesem Virus fremd. Ich erwähne das, da seit Bekanntwerden der Krankheit Anfang Jänner die Staaten sich auf ihre nationalen Bewältigungsstrategien und daher den Schutz der Menschen innerhalb ihrer Landesgrenzen konzentriert haben. Das ist durchaus nachvollziehbar. Doch müssen sich die Entscheidungsträger bewusst sein, dass dieses hochinfektiöse, weit verbreitete Virus uns alle treffen kann, solange es irgendwo auf der Welt fortbesteht.

Viele ärmere Länder wurden bisher von der Krankheit nicht mit voller Wucht getroffen. Warum, wissen wir nicht genau. Was wir aber wissen, ist, dass sich Covid-19 letztendlich auch in diesen Ländern ausbreiten wird. Wir wissen, dass ohne eine Ausweitung der Hilfen die Fallzahlen und Todesraten ein noch nicht dagewesenes Ausmaß erreichen könnten. Bedenken wir, dass Covid-19 Städte wie New York zum Erliegen gebracht hat. Ein einziges Krankenhaus in Manhattan verfügt jedoch über mehr Intensivbetten als die meisten Länder Afrikas. Millionen Menschen könnten umkommen. Man muss jedoch nicht in einem Entwicklungsland leben, um zu fürchten, dass einen die Krankheit trifft. Selbst wenn es den reichen Staaten in den nächsten Monaten gelingt, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen, sind sie nicht vor einem erneuten Aufflammen der Pandemie gefeit. Denn wütet diese in anderen Ländern weiter, ist es höchstwahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bevor ein Teil der Welt den anderen wieder infizieren wird.

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Eine Covid-19-Schutzimpfung muss ein "globales öffentliches Gut" sein, für alle bezahlbar und zugänglich.
Foto: AP / Peter Steffen

Im Kampf gegen diese Krankheit braucht es daher einen globalen Ansatz. Mindestens drei Maßnahmen können die Entscheidungsträger – und insbesondere die G20 – jetzt schon umsetzen.

Wirksame Verteilung

Allen voran muss für eine wirksame Verteilung von Masken, Handschuhen und Tests gesorgt werden. Natürlich wünschen wir uns, dass es am Ende für alle reicht. Angesichts des weltweit begrenzten Angebots müssen wir jedoch schwere Entscheidungen mit Bedacht treffen, was leider nicht immer der Fall ist. In gewissen Bereichen sind sich die Politiker zusehends einig – etwa darüber, dass das Gesundheitspersonal Priorität beim Zugang zu Tests und Schutzausrüstung braucht. Betrachten wir solche Entscheidungen aber mal aus einer gewissen Distanz und fragen uns außerdem: Gibt es auch Unterschiede in der Verteilung von Schutzmasken und Tests zwischen Bevölkerungsgruppen oder Staaten? Hier zählt aktuell vor allem eins: Wer bietet am meisten?

Obwohl ich stark an den Kapitalismus glaube, funktionieren in Zeiten einer Pandemie bestimmte Märkte einfach nicht wie sonst. Wenn unsere globale Covid-19-Strategie zu einem Bieterwettkampf zwischen Staaten verkommt, werden dieser Krankheit viel mehr Menschen zum Opfer fallen. Wie wir die Ressourcen verteilen, muss sich an den Bedürfnissen des öffentlichen Gesundheitssystems und der medizinischen Dringlichkeit ausrichten. Bei der dafür nötigen Ausarbeitung von Leitlinien können wir auf zahlreiche Experten und ihre Erfahrungen in der Ebola- und HIV-Epidemie zurückgreifen. Führungspersönlichkeiten von Entwicklungs- und Industrieländern sollten diese Leitlinien zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und ihren Partnern erstellen und alle beteiligten Staaten sollten sich in weiterer Folge im Sinne einer Rechenschaftspflicht öffentlich zu ihnen bekennen.

Ausreichend Forschungsmittel

Zweitens müssen die Entscheidungsträger ausreichende Forschungsmittel mobilisieren, um die Entwicklung eines Impfstoffs zu ermöglichen.

Eine der wenigen Erfolgsgeschichten im Zusammenhang mit Covid-19 bietet die Wissenschaft. Vor drei Jahren gründete die Gates-Stiftung und die Wellcome-Trust zusammen mit mehreren Regierungen die Koalition für Innovationen in der Epidemievorbeugung (CEPI), um Impfstoffe mit erhöhtem Tempo zu testen und nach neuen, schnelleren Verfahren für deren Entwicklung zu suchen. Wir wollten vorbereitet sein, falls ein neues Virus sich weltweit ausbreitet.

Die CEPI ist bereits dabei, mindestens acht mögliche Covid-19-Impfstoffe zu entwickeln. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass in 18 Monaten mindestens einer von ihnen anwendungsbereit sein wird. Noch nie hat die Menschheit in nur so kurzer Zeit nach Auftauchen eines neuen Krankheitserregers eine Schutzimpfung bereitgestellt.

Nur mit einer entsprechenden finanziellen Förderung kann dieser enge Zeitplan jedoch eingehalten werden. Viele Länder haben in den vergangenen zwei Wochen der CEPI eine Unterstützung zukommen lassen, doch benötigt die Koalition für ihre Arbeit mindestens zwei Milliarden Dollar. Dabei handelt es sich nur um eine grobe Schätzung – Innovationen lassen sich schließlich nicht planen –, doch sollten die G20 mit einem wirksamen finanziellen Engagement nicht länger zögern.

Produktionsstätten bauen

Dieses finanzielle Engagement reicht allein aber nur für die Entwicklung des Impfstoffs, nicht für dessen Herstellung und Verbreitung. Dafür sind noch weitere Ressourcen und zusätzliche Planung nötig. Darin besteht die dritte Aufgabe.

Da wir nicht wissen, welcher Impfstoff sich als der wirksamste entpuppen wird, die Herstellung jedes einzelnen aber ganz bestimmter Technologien bedarf, müssen die Länder viele Arten von Produktionsstätten bauen – wohl wissend, dass einige von ihnen niemals in Betrieb gehen werden. Ansonsten würden wir Monate verlieren, wenn wir erst nach Bereitstehen eines Impfstoffs mit dem Bau beginnen würden.

Globales öffentliches Gut

Die Kosten sind ein weiterer wichtiger Faktor: Wenn der private Sektor bereit ist, für die Herstellung eines Impfstoffes aufzukommen, sollte er dabei keine finanziellen Verluste erleiden müssen. Gleichzeitig muss eine Covid-19-Schutzimpfung als "globales öffentliches Gut" eingestuft werden und daher für alle bezahlbar und zugänglich sein. Um diese Ziele zu erreichen, sollten sich die G20 bereits jetzt mit der Logistik eines globalen Immunisierungsprojekts auseinandersetzen.

In den vergangenen 20 Jahren setzte sich die Impfallianz Gavi der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung – größtenteils dank der Unterstützung des Vereinigten Königreichs sowie Deutschlands – zusammen mit WHO und Unicef für die Einführung 13 neuer Impfungen, darunter die Ebola-Schutzimpfung, in den 73 ärmsten Ländern weltweit ein. Die Allianz ist in der Lage, das Gleiche mit einer Covid-19-Impfung zu schaffen. Doch braucht auch sie dafür eine bessere Mittelausstattung. 7,4 Milliarden Dollar benötigt Gavi in den nächsten fünf Jahren – nur um die aktuellen Immunisierungsbemühungen aufrechtzuerhalten. Noch höhere Kosten fielen für die Umsetzung einer allgemeinen Corona-Immunisierung an. Diese Milliardenbeträge erscheinen wie eine Unsumme, ganz besonders in einer Zeit, in der ganze Volkswirtschaften sich in Richtung Stillstand bewegen. Doch die Kosten für eine misslungene Immunisierungsaktion, die ein Fortbestehen der Pandemie zur Folge hätte, wären um ein Vielfaches höher.

Seit 20 Jahren halte ich die politische Führungsriege weltweit zu einem finanziellen Engagement für die Gesundheit der weltweit Ärmsten an. Immerzu habe ich betont, dass das der einzig richtige Weg ist. Anderen zu helfen – das führen uns Pandemien vor Augen –, ist nicht nur richtig, sondern auch das Hellsichtigste, was man tun kann. Die Menschheit ist letzten Endes nicht nur durch gemeinsame Werte und soziale Beziehungen verbunden. Zwischen uns besteht auch eine biologische Verbindung in Form eines mikroskopischen Netzes aus Keimen und Bakterien, durch das die Gesundheit eines Menschen mit der Gesundheit Aller verwoben ist. Diese Pandemie verbindet uns alle miteinander. Deshalb muss unsere Antwort eine gemeinsame sein. (Bill Gates, 12.4.2020)