Range Rover. Die jetzige Generation ist ein Sowohl-als-auch-Typ: Er kann sowohl Gelände, dem ist er von alters her verpflichtet, als auch Straße, wobei Pkw-ähnliche Fahreigenschaften gemeiniglich als eine der Definitionen für SUVs gelten. Am Anfang, 1970, war der Schwerpunkt noch anders gesetzt, der Rangie sollte Seine und Ihre Lordschaft (und überhaupt den Erb- und Geldadel weltweit) kompetent durch weglose Latifundien bringen, durch schottische Hochmoore und Bäche etwa, um nur ein Einsatzbeispiel zu nennen.

Sehen wir uns dabei kurz an, was in dem nach Verlust der Kolonien gar nicht mehr so großen Britannien automobilistisch geschah rund um 1970, davor und danach. Obwohl das verbrennungsmotorisch betriebene Automobil eine deutsche Erfindung war und die meisten bahnbrechenden Entwicklungen in den folgenden Jahren und Jahrzehnten von dort, aus Frankreich, Italien und natürlich gleich auch aus den USA stammten, erreichte die britische Produktion nach Stückzahl hinter den Amis Rang zwei und hielt den bis Anfang der 1960er.

Der Range Rover Classic, mit dem alles begann.
Foto: Range Rover

Dann gingen Deutschland, Frankreich, Italien und vor allem Japan auf Überholspur, jenseits des Kanals begann der Niedergang – Stichwort: "britisch Elend" –, gefolgt vom endgültigen Aus für die eigenständige Automobilproduktion in den 1990er-Jahren. Was an bedeutenden heimischen Marken noch produzierte, war da schon in ausländischer Hand.

Als der Range Rover 1970 vorfuhr, mit 3,5-Liter-V8 von Buick und abgehobenen Preisen, war also von heiler Welt keine Rede mehr. Der Noble für das Grobe, dessen erste Generation (bis 1996) als "Classic" geführt wird, erfreute sich dennoch sogleich enormer Beliebtheit, und das selbst, obwohl die Offroad-Erfahrungen der Klientel sich häufig darauf beschränkte, dass ihr Wagen auf dem Abschleppwagen transportiert wurde. Jedenfalls, 317.615 Mal ging der rustikale Zwirn über den Ladentisch, die Kombination zwischen überragender Geländekompetenz und bis dahin nicht gekannter nobler Innenaufmachung wusste zu überzeugen.

Und nur um das in Erinnerung zu rufen: Von einer Modellvielfalt wie heute konnte keine Rede sein, die Geländewagenmarke fertigte zu dem Zeitpunkt unter dem Dach von British Leyland den Land Rover Series II (ab 1971 Series III, ab 1990 Defender) und sonst nix.

Zum Jubiläumsauftakt kreierten die Briten ein Schneekunstwerk im schwedischen Kältetestzentrum Arjeplog, vielleicht machen sie sommers so was auch in der Sahara – "Ende Gelände" ist ja ein Fremdwort.
Foto: Range Rover

Erst 1989 kam der Discovery dazu, und als ’94 die zweite Rangie-Generation an den Start ging, gehörte die Marke bereits zu BMW. Nach deren Notbremse bei der schwerst defizitären Rover Group landete die Geländewagenmarke 2000 bei Ford (wie davor schon Jaguar), der Range Rover dritter Generation von 2002 war aber noch eine reine BMW-Entwicklung und übrigens ein ganz tolles Auto.

Jetzt wird’s indisch

Die nächste Krise kommt bestimmt, sie kam 2008 (war da was?), und Ford reichte den Laden, nämlich Jaguar und Land Rover zusammen, an Tata nach Indien weiter – nicht unpikant, weil das Riesenland dereinst Kronjuwel war im britischen Empire.

Inzwischen ist die 2012 lancierte vierte Generation – erstmals mit Alu-Karosserie (selbsttragend statt Leiterrahmen) – schon nicht mehr ganz jung. Land und Range Rover profitierten vom SUV-Boom und fächerten in zwei Schienen auf: Land Rover mit Discovery Sport, Discovery und Defender, der Nobelableger Range Rover mit Evoque, Velar, Range Rover Sport und eben Range Rover.

Treffen der vier Generationen
Foto: Range Rover

Komme von der Jagd, fahre zur Tea-Time und werde pünktlich sein, egal, was dazwischen liegt: Das aktuelle Modell ist ein rund um die Welt, besonders in USA, China und Russland, gefragtes Luxuskreuzfahrtschiff, dem auch die Attacke von Bentley (Bentayga) und Rolls-Royce (Cullinan) sowie Elektronikprobleme nichts anhaben konnten. Was auch am zeitlos gelungenen Design liegen mag, an Stil und Klasse. Trotz allem frappiert der Umstand, dass der große Wagen stets außerhalb jener Kritik blieb, die bis heute auf die Konkurrenz einhagelt, auf die deutsche zumal. Erfolgsbilanz nach 50 Jahren: rund 1,5 Millionen verkaufte Range Rovers.

Eine erste ökologischen Antwort auf die Herausforderungen der Zeit gibt es auch schon: Plug-in-Hybrid. Mal sehen, ob eine zweite oder dritte ein Elektro-Rangie sein wird – und wie der Range Rover in 50 Jahren daherkommt. Mit Antigravitationsantrieb zum Schweben über jedem Gelände? (Andreas Stockinger, 15.05.2020)