Van der Bellen und Gattin Schmidauer haben sich im Lokal verplaudert.

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Es waren die Aufreger der letzten Wochen: Während die Politik der Bevölkerung Corona-Achtsamkeit einbläut, nehmen es Staats- und Regierungschef nicht so genau. Der Kanzler badete in der Menge im Kleinwalsertal, der Präsident übersah die Sperrstunde. Alexander Van der Bellen droht sogar eine Strafe, weil er mit Gattin nach 23 Uhr im Schanigarten beim Italiener saß.

Das Staatsoberhaupt entschuldigte sich und würde auch die Strafe des Wirts, dem eine Geldbuße von 30.000 droht, übernehmen. Doch wie sich jetzt herausstellt, spricht einiges dafür, dass sich Van der Bellen gar nicht falsch verhalten hat. Zumindest sind namhafte Juristen nach Studium der Lockerungsverordnung für die Gastronomie zu diesem Schluss gekommen.

Keine eigene Sperrstunde

Die einschlägige Bestimmung des Rechtsaktes (§ 6, Absatz 2) lautet: "Der Betreiber darf das Betreten der Betriebsstätte für Kunden nur im Zeitraum zwischen 06.00 und 23.00 Uhr zulassen." Von einer Sperrstunde ist dabei ebenso wenig die Rede wie von einem Aufenthaltsverbot im Lokal. Die Rechtsanwaltskanzlei Harisch & Partner hat dazu eine ausführliche Analyse verfasst und kommt zu folgender Interpretation: "Es gibt keine eigene Covid-19-Sperrstunde für Gastronomiebetriebe um 23:00 Uhr."

Die Sperrstunde wird nämlich von den Landeshauptleuten festgelegt und liegt meist bei ein oder zwei Uhr. Die Experten kommen daher zu dem Schluss, dass nicht nur der Verbleib, sondern auch die Bewirtung nach der vermeintlichen Sperrstunde weiterhin zulässig seien.

Keine Sperrstunde

Wesentlich dabei sei lediglich, dass die Gäste das Lokal vor 23 Uhr betreten haben. Es handle sich eben um eine Regelung zur Betretung von Restaurants oder Kaffeehäusern und nicht zum Aufenthalt in Lokalen, erläutert Rechtsanwalt Christian Harisch, der selbst mehrere Hotels und Gastronomiebetriebe führt.

Kurz mit der Bevölkerung auf Tuchfühlung.
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Eine Veränderung der Sperrstunde sei gerade nicht erfolgt. Ganz im Gegensatz zur Verordnung zu Beginn der Corona-Krise, als die Gaststätten angewiesen wurden, um 15.00 Uhr zu schließen. Damit habe der Gesundheitsminister ja gezeigt, dass er zur Änderung der Öffnungszeiten imstande sei, heißt es in der Beurteilung der Kanzlei Harisch weiter. Die Regierung hat am Freitag die Öffnung der Gastronomie bis ein Uhr ab 15. Juni angekündigt, was freilich nichts an den schon laufenden Verwaltungsstrafverfahren ändert.

"Nichts Verbotenes gemacht"

Harischs Interpretation wird von anderen Experten geteilt: Anwalt Georg Eisenberger meint ebenfalls, dass der Wirt im Fall Van der Bellen "nichts Verbotenes gemacht" habe. Auch er verweist darauf, dass es nur darauf ankomme, dass das Lokal vor 23.00 Uhr betreten werde. Nach dieser Lesart müssten sowohl der Bundespräsident als auch der Gastwirt straffrei ausgehen. Wobei vor einer Sanktion gegen Van der Bellen erst die Zustimmung der Bundesversammlung einzuholen wäre.

Für Harisch geht es in der Frage nicht nur um den Staatschef, sondern auch um den eingebrockten Geschäftsausfall, mit dem die Wirte konfrontiert sind. Das Gesundheitsministerium bleibt hingegen bei seiner Ansicht: Es sei nicht nur das Betreten, sondern auch das Verweilen in Gaststätten nach 23.00 Uhr verboten. Das erinnert an die Ausgangsbeschränkungen, die laut Regierungskommunikation strenger waren als die Buchstaben der Verordnung. Gestraft wurde dennoch – nicht immer rechtskonform, wie eine Entscheidung in Niederösterreich zeigt. (Andreas Schnauder, 30.5.2020)