Die Küchenchefs Parvin Razavi (rechts) und Oliver Mohl (Mitte) mit Sous-Chef Christoph Dengg am Terrassen-Küchentisch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Eigentlich sollte das Souterrain des Künstlerhauses (Albertina modern) nach der Übernahme durch die Ludwig-&-Adele-Macher um Luke Bereuter eine junge Cocktailbar samt nachttauglichem Gastgarten werden. Ist auch eine gute Idee: Ein Souterrainlokal mit Terrasse, aber ohne lärmsensible Nachbarschaft spielt seinen Trumpf schließlich am ehesten spätabends aus.

Insgesamt betreiben Bereuter und Co mit ihren Lokalen im Künstlerhaus 400 Outdoor-Sitzplätze. In normalen Sommern mag das nach einigermaßen gmahder Wiesn klingen. Heuer, noch dazu ohne Touristen, wächst es sich zur existenziellen Herausforderung aus. Dann auch noch eine reine Cocktailbar aufzusperren erschien Bereuter angesichts der regierungsseits ursprünglich verordneten, fürs Nachtgeschäft quasi spätnachmittäglichen Sperrstunde von 23 Uhr wie ein Bauchfleck mit Anlauf. Die nagelneue Hütte einfach dichtzumachen und die – wirklich famosen – Barkeeper im Covid-19-Regen stehen lassen war aber auch keine Option.

Also wurde die Hausbar samt dem angenehm kühlen Gastgarten auf die Schnelle zum Fine-Dining-Spot umgemodelt. Schließlich verstehen sich die Küchenchefs Parvin Razavi und Oliver Mohl darauf, weltläufig unbekümmert draufloszukochen – mit jenem Schliff freilich, der einem in Hütten wie der Roten Wand in Lech oder dem Nomad in New York eben verpasst wird. Bei näherem Hinsehen lag es also durchaus nahe, den intimen Ort als kleine Wunder-Speisekammer neu zu erfinden.

Scheint gewirkt zu haben: An einem neu-faden Donnerstag sind alle Tische besetzt, mit bemerkenswert jungen Gästen noch dazu. Okay, 59 Euro für fünf Gänge plus Nebengeräusche sind ein extrem attraktiver Preis, auch die Getränkebegleitung aus stimmig und doch mutig gemixten Drinks spricht tendenziell eher die Jungtrinker an. Anderseits: Ist alles schon auch echtes Geld ...

Tiroler Tankgarnelen

Man kriegt aber etwas dafür: Vorneweg eine Batterie kleiner Happen, unter denen knusprig gebackene Topinamburschalen, gefüllt mit luftiger Topinamburcreme, besonders angenehm auffallen.

Ceviche von der Forelle mit Wiesenkräutern und Knusperbrot.
Foto: Benjamin Mohl

Dann Ceviche von der Lachsforelle, gespickt mit aromatischen (Freiland-)Kräutern, gewürzt mit Gin und Ingwer, garniert mit knusprigem Schwarzbrot und Gurke, sehr gut. Der Drink, eine Gin-&-Ginger-Kombination, schmiegt sich sehr gefällig dazu. Brennnessel-Schaumsuppe mit knuspriger Alpen-Garnele (ein eher fragwürdiges, mit erheblichem Energieaufwand in Tiroler Tanks gezüchtetes Produkt) macht sich auch gut, danach kommt mit dem gegrillten Portobello-Champignon ein Highlight: der große Pilz über Holzkohle mit Umami-Aromen aufgeladen, dazu eine Creme aus schwarzem Knoblauch, knackige Salatherzen mariniert mit Pilzjus, obendrauf Knusper aus Pinienkernen – gute Kontraste, starke Aromen, ein Gang, der zeigt, wie köstlich veganes Essen aus der Hand kundiger Köche sein kann. Zwischendurch gibt’s Rhabarber-Sorbet mit Uhudler-Sekt: sauer, frisch, uhudlermäßig oarg nach Walderdbeeren schmeckend, nicht einmal im Ansatz süß. Und dementsprechend animierend.

C’est la rie!

Dass es auch eine vegane Variante des Menüs gibt, versteht sich angesichts dieses jungen, unverkrampften Konzepts fast von selbst. Geschmortes Schulterscherzel ist da halt nicht dabei: das Fleisch löffelweich, in dichtem, aber keineswegs klebrig reduziertem Saftl, dazu Sellerie, einerseits gegrillt, anderseits knusprig frittiert, cremig püriert und schließlich knackig gedünstet. Was allzu leicht als mühseliges Abarbeiten an der Knolle hätte enden können, kommt auf dem Teller als stimmige, mit leichtfüßiger Säure abgeschmeckte Köstlichkeit an. Ist aber alles nichts gegen die knusprige Tarte mit Erdbeerfülle, Sauerrahmeis und Waldmeister-Kokos-Crumble – bestes Fruchtdessert seit viel zu langer Zeit. (Severin Corti, 12.6.2020)

Tarte mit Sauerrahmeis und Waldmeister-Kokos-Crumble.
Foto: Benjamin Mohl

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