Mit dem Ceneri-Tunnel ist NEAT fertig – der internationale Güterverkehr soll profitieren.

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Mit dem Ceneri-Basistunnel vollenden wir die Neat, unser Jahrhundertbauwerk", sagte die Schweizer Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga am Eröffnungstag. Die Neat, das sind die Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen; mit dem 15,4 Kilometer langen Monte-Ceneri-Basistunnel zwischen Bellinzona und Lugano im Südkanton Tessin ist das letzte Puzzlestück gelegt.

Dank der großen Tunnelbauten auf der Gotthard- und der Lötschberg-Simplon-Strecke mit dem 2016 eröffneten, 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnel als Herzstück sowie dem Ausbau der Zufahrtsstrecken gehören große Steigungen, enge Kurven und Kehrtunnels nun der Vergangenheit an. Personenzüge können künftig mit 250 Kilometern pro Stunde durch die Alpen fahren, die Fahrzeit für Reisende zwischen Zürich und Mailand verkürzt sich von über vier auf drei Stunden; und 750 Meter lange Güterzüge mit 2000 Tonnen Gewicht können künftig ohne zusätzliche Lokomotiven und mit Tempo 160 verkehren. Das bringt große Effizienzgewinne und macht die Verlagerung von der Straße auf die Schiene attraktiver.

"Jetzt rücken Nord und Süd zusammen. Der Monte-Ceneri-Tunnel stärkt den öffentlichen Verkehr in der Schweiz, er ermöglicht eine attraktive S-Bahn für den Kanton Tessin und seine Zentren Lugano und Bellinzona, er verbindet Land und Leute", sagte Sommaruga bei der Eröffnungsfeier am Nordportal des Tunnels.

Treffen der Verkehrsminister

Am Vortag hatte sich Sommaruga mit den Verkehrsministerinnen Österreichs und Italiens, Leonore Gewessler und Paola de Micheli, sowie mit Vertretern Deutschlands und der EU getroffen. Denn der Ceneri-Basistunnel und die Schweizer Eisenbahn-Alpenlinien sind entscheidend für den europäischen Nord-Süd-Güterverkehr. Bei dem Treffen gelobten die Politiker, den internationalen Bahnverkehr weiter zu fördern, beispielsweise durch mehr Nachtzüge statt Flugreisen. Mit Italien wurde vereinbart, das auf italienischem Boden liegende Teilstück vom Simplontunnel bis zum Güterverladeterminal in Novara bis 2028 auszubauen; damit soll ein weiteres Hindernis beseitigt werden.

Der Monte-Ceneri-Tunnel wurde feierlich eröffnet. Umweltministerin Leonore Gewessler (links) war auch dort.
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Im alpenquerenden Güterverkehr hat die Bahn in der Schweiz 70 Prozent Marktanteil; in Österreich und Frankreich sind es deutlich weniger. Doch die Schweiz ist bei der Verlagerungspolitik auf die Nachbarländer angewiesen. Italien hat immerhin einen großen Teil seiner Zulaufstrecken und Verladeterminals ausgebaut oder in Angriff genommen, etwa die neue Terzo-Valico-Strecke, die den Hafen von Genua hindernisfrei mit Mailand und Novara verbinden soll. Hingegen ist Deutschland im Verzug: Die Strecke nördlich von Basel Richtung Karlsruhe wird erst 2040 so ausgebaut sein, dass sie für hohe Tempi und lange Züge gerüstet ist.

Gebühr für Lkw

Doch auch in der Schweiz bleibe noch einiges zu tun, sagt der Umweltschützer Django Betschart vom Komitee Alpen-Initiative: "Die ,Hardware‘ ist erstellt, jetzt müssen wir noch die ,Software‘ richtig einstellen", sagt Betschart zum STANDARD. Mehr als 900.000 Lkws durchqueren die Schweizer Alpen jährlich; das offizielle Ziel wären 650.000. Für Betschart ist klar: "Der Straßentransport ist immer noch zu billig. Er deckt seine externen Kosten nicht. Im sensiblen Alpenraum belastet er mit Schadstoffen, Lärm und Abgasen die Umwelt und die Bevölkerung zu stark. Zudem machen wir uns Sorgen wegen der vielen gefährlichen Stoffe, die immer noch in Lkws statt auf der Schiene transportiert werden."

Die Schweizer Regierung will nun ab 2021 für ältere Lkws mit besonders umweltschädlichen Motoren die Gebühr von rund 250 Euro pro Fahrt durch die Schweizer Alpen erhöhen. Die Alpen-Initiative fordert aber auch mehr Lkw-Kontrollen. Denn letztes Jahr wurde jeder dritte kontrollierte Lkw wegen Verstößen gegen die Sicherheitsvorschriften oder anderer Mängel gebüßt; jeder zehnte musste gar per sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Doch da nur jeder fünfzigste Lkw kontrolliert wird, nehmen offenbar viele Transporteure das Risiko auf sich und setzen weiterhin auf die billigere Straße statt auf die Schiene. (Klaus Bonanomi aus Bellinzona, 5.9.2020)