Der Prozess am Landgericht Magdeburg wurde am Montag nach 26 Verhandlungstagen beendet.

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Halle an der Saale – Die Holztür, die ein Massaker verhindert hat, ist nicht mehr Teil der Synagoge in Halle. Sie wurde durch eine neue, noch massivere ersetzt. Auf den Müll kam das alte Tor mit den Einschusslöchern aber nicht. Es soll ein Mahnmal bleiben für das, was am 9. Oktober 2019 in der Synagoge der sachsen-anhaltinischen Stadt geschehen ist: Der Rechtsextremist Stephan B. fährt schwer bewaffnet zum Gebetshaus. Im Auto hört er Musik des Wiener Musikers Mr. Bond, der aus Charts bekannte Hits mit neonazistischen Texten neu vertont.

Der damals 27-jährige B. will in die Synagoge eindringen, an der sich am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur 51 Menschen versammelt haben. Doch die Tür hält stand. Der Täter zieht weiter, erschießt auf der Straße eine Passantin und an einem nahegelegenen Imbiss einen 20-Jährigen. Auf der Flucht verletzt er mehrere Menschen schwer, seine Taten streamte er im Internet.

Sicherheitsverwahrung

Das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg fiel so, wie es erwartet und von der Bundesanwaltschaft gefordert worden war: lebenslange Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Das Gericht hat auch eine besondere Schwere der Schuld festgestellt. Das macht eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 oder 20 Jahren unwahrscheinlich. Verurteilt wurde er wegen zweifachen Mordes, versuchten Mordes in insgesamt 62 Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung, fahrlässiger Körperverletzung, Gefährdung des Straßenverkehrs und Volksverhetzung.

Der Argumentation der Verteidiger, dass der Angeklagte ja, nachdem er an der Tür gescheitert war, von seinem Vorhaben, in die Synagoge einzudringen, abließ und man dies daher nicht als Mordversuch werten könne, folgte das Gericht nicht.

Richterin Ursula Mertens sagte, es sei ein "feiger Anschlag" gewesen – und nannte als Motiv des Angeklagten Antisemitismus, Rassismus und auch Frauenfeindlichkeit. Dies seien auf "tiefster Stufe stehende Tatmotive". Der Angeklagte habe "über fast sieben Minuten versucht, seinen Plan, möglichst viele Menschen zu töten, umzusetzen".

Nach der Urteilsverkündung warf B. eine Mappe auf einen der Opferanwälte, der eine Kippa trug. Der Angeklagte wurde daraufhin aus dem Saal gebracht.

White-Supremacy-Ideologie

Der 28-Jährige hat die Tat gestanden und während des Prozesses immer wieder deutlich gemacht, dass er weiter gegen die "globalistisch-jüdische Weltordnung" kämpfen und dabei möglichst viele Juden töten wolle. "Nach dem Bürgerkrieg werden wir sehen, wer recht behielt", sagte er einmal. Reue zeigte er nicht. Im Gegenteil, er ist als Anhänger der "White-Supremacy-Ideologie" überzeugt, dass die "weiße Rasse" anderen überlegen sei. Als "wahnhaft" stufte ein psychiatrisches Gutachten den Attentäter nicht ein, wohl aber wurde ihm eine "komplexe Persönlichkeitsstörung", aber dennoch volle Schuldfähigkeit attestiert.

Der Angeklagte wohnte noch bei seiner Mutter, er hortete Waffen im Kinderzimmer und speiste seine Ideologie aus dem Internet. Als Vorbild nannte er Brenton T., jenen rechtsextremen australischen Terroristen, der im März 2019 zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch angegriffen und dabei 51 Menschen getötet hatte.

Bundesanwalt Kai Lohse hatte im Prozess erklärt: "Es handelt sich um eine grauenhafte Tat." Der Anschlag sei einer der "widerwärtigsten antisemitischen Akte seit dem Zweiten Weltkrieg" gewesen. "Damit zielte der Täter auf uns alle, denn das jüdische Leben ist ein unverzichtbarer Teil unseres Landes." (Birgit Baumann aus Berlin, 21.12.2020)