Prognose für Österreichs Medien 2021: Rubina Möhring, Vorsitzende von Reporter ohne Grenzen, hier in der Vorschau-Illustration von STANDARD-Artdirector Armin Karner.

llustration: Armin Karner / DER STANDARD, Foto: Kolakovsky

Die Prognose von Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich:

Was erwarten Sie von 2021 für Österreichs Medienbranche? Was sind Ihre Hoffnungen und Wünsche, was Ihre Befürchtungen? derStandard.at/Etat hat Medienmanagerinnen und -manager, Journalistinnen und Journalisten sowie Expertinnen und Experten aus Österreichs Medien- und Kommunikationsbranche und -wissenschaft mit einem Online-Fragebogen um ihre Beiträge gebeten.

Sie konnten wählen, ob sie namentlich antworten, wenn wir sie zitieren dürfen, oder anonym. Die namentlich beantworteten Fragebögen veröffentlichen wir nun in den nächsten Tagen.

"Korruptionsversuche durch vermehrte Inserate"

Hier die Prognosen von Rubina Möhring, Präsidentin der Medienfreiheitsorganisation Reporter ohne Grenzen in Österreich:

Was kommt 2021 auf die Medienbranche zu? Bitte verraten Sie uns Ihre Erwartungen über Entwickungen, Herausforderungen ...!

"Noch stärkere Bemühungen seitens der Politik, die Medien in der Berichterstattung zu beeinflussen. Dies durch Einschüchterung, Diffamierung, Korruptionsversuche durch vermehrte Inserate."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) geschehen? Bitte verraten Sie uns Ihre Hoffnungen (und warum Sie darauf hoffen)!

"Eine Totalreform der staatlichen Medienförderung. Keine Bevorzugung der Regenbogenpresse mehr, neuer Schlüssel für die Vergabe, zum Beispiel im Printbereich nicht mehr die höchste Zahl der gedruckten Exemplare als Anlass für Förderungen, sondern zum Beispiel inhaltliche Qualitätskriterien. Diese sollten nicht von Politikerinnen und Politikern, sondern von akademischen Medienfachleuten erstellt und beurteilt werden. Nur so kann es möglicherweise wieder zu einer ausgewogenen und vielfältigeren Berichterstattung in Österreich kommen."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) nicht passieren? Bitte verraten Sie uns Ihre Befürchtungen (und warum Sie das befürchten)?

"Dass die Medien Propagandamaschinen von Regierunden werden. Stichwort Message-Control. Schon jetzt arbeiten wieder über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundeskanzleramt als PR-Staff. Die Regierung hat bis zu 210 Millionen Euro bis 2024 (Wahljahr) für PR der Regierung ausgeschrieben. Sichtlich ein Umweg, um Wahlwerbung aus den eigenen Parteikassen von Türkis-Grün zu investieren."

Wie werden sich Covid-19, die Pandemie und die Maßnahmen dagegen auf die Medienbranche auswirken – 2021 und, wenn Sie das erwarten, auch in den Jahren danach?

"Stärkere Vereinheitlichung in der Covid-19-Berichterstattung. Mögliche Reaktionen als Folge: Verlust der Glaubwürdigkeit der Medien. Einerseits zunehmendes Desinteresse bei einem Teil der Bevölkerung, andererseits bei einem anderen Teil der Bevölkerung zunehmend undifferenzierte Standpunkte, geprägt von der durch die Politik via Medien verbreiteten Ängste. Noch stärker werdende Mutation des ORF von einem unabhängigen öffentlich-rechtlichen Sender zu einer staatlichen Medienmaschinerie à la Staatsfunk."

"Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk – zumindest so, wie er sein soll"

Weitere Prognosen Möhrings zu unseren Detailfragen im Überblick:

  • Möhring schließt nicht aus, dass Österreich in der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit vom zuletzt 18. Rang weiter zurückfällt: "Es ist durchaus möglich, dass Österreich noch weiter hinunterrutscht. Media-Control, verbale Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten seitens der Politikerkaste und seit Corona verstärkte Vereinheitlichung der Information."
  • Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten würden "sicherlich zunehmen, aus heutiger Sicht vor allem online. Notwendig wäre, wenn die Politikerkaste bei einem eigenen Scheitern nicht vornehmlich die Schuld bei den Medien, sondern bei sich selbst suchte und dies auch eingestünde."
  • "Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen werden sich verschlechtern", prognostiziert die frühere ORF-Journalistin, auch durch die Arbeit im Homeoffice. Journalismus ist ein Beruf, der in hohem Maße auf Kontakten und persönlichen Gesprächen beruht. Homeoffice führt zu Vereinsamung und eingeschränkter Information. Homeoffice mit Kindern führt zu eingeschränkter Konzentrationsfähigkeit. Für die Arbeitgeber ist Homeoffice natürlich in summa billiger. Für die ArbeitnehmerInnen birgt Homeoffice auch die Gefahr, den Überblick über den Arbeitsmarkt zu verlieren und in größerem Maß als zuvor vom Arbeitgeber abhängiger zu werden.
  • Die Österreich-Vorsitzende von Reporter ohne Grenzen hofft auf ein Informationsfreiheitsgesetz 2021: "Es sollte 2021 kommen, wichtig sind allerdings auch die entsprechenden Inhalte. Gut wäre es, sich an dem slowenischen oder Hamburger Beispiel zu orientieren. Dies hieße allerdings auch einen endgültigen Abschied vom antiquierten Amtsgeheimnis."
  • Eine Haushaltsabgabe oder Erweiterung der GIS auf Streamingnutzung hält Möhring "für sehr wichtig, weil es auch ein Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist (zumindest so, wie er sein soll). Siehe das deutsche Beispiel."
  • Sie plädiert für Qualitätskriterien für Medienförderung und öffentliche Inserate, etwa auch die Teilnahme an Selbstkontrollorganen wie dem Presserat.
  • Die Österreich-Vorsitzende von Reporter ohne Grenzen hofft mit Blick auf die bisher häufigsten Verstöße von Boulevardmedien gegen den Ethikkodex des österreichischen Journalismus "auf Veränderung auch im Verhalten von Boulevardmedien und journalistische Ethik".

(Harald Fidler, Daniela Yeoh, 22.12.2020)