Fliegen schwirrten schon während der Dinosaurier-Ära durch die Luft. Während von Bienen, Hummeln und Schmetterlingen allgemein bekannt ist, dass sie sich von Blütenpollen ernähren und als Bestäuber fungieren, bleibt vielfach unbeachtet, dass auch Fliegen hier eine wichtige Rolle spielen – und zwar bereits seit Urzeiten, wie die üppige letzte Mahlzeit einer fast 50 Millionen Jahre alten Fliege beweist.

Durch glückliche Umstände blieb der Körper des Insekts samt prall gefülltem Mageninhalt als Fossil in Seesedimenten der Grube Messel, einem UNESCO-Weltkulturerbe in Deutschland, erhalten. Ein internationales Forscherteam um Fridgeir Grímsson von der Universität Wien hat das Fossil nun untersucht und dabei Einblicke in das Fressverhalten, die damalige Ökologie sowie die Rolle der Fliege als Bestäuberin erhalten, berichten sie im Fachjournal "Current Biology".

Die neu entdeckte Fliege Hirmoneura messelense lebte vor 47,5 Millionen Jahren.
Foto: Senckenberg

Henkersmahlzeit

Das bisher unbekannte Insekt aus der Gattung Hirmoneura hat eine Körperlänge von elf Millimetern und ist 47,5 Millionen Jahre alt. "Die eigentliche Besonderheit ist aber, dass wir im Hinterleib des, zur Familie der Nemestrinidae gehörenden, Insekts zahlreiche Blütenpollen – und damit sozusagen die ‚Henkersmahlzeit’ der Fliege – gefunden haben", sagt die Senckenberg-Wissenschafterin Sonja Wedmann, Koautorin der Studie. Es ist der erste Hinweis, dass sich Fliegen dieser Familie in der Vergangenheit von Pollen ernährten – und es möglicherweise bis heute tun.

Das Team konnte mittels neuesten Methoden die Pollen von Pflanzen aus den Familien der Sapoten- (Sapotaceae) und Ölbaumgewächse (Oleaceae), sowie aus den heutigen Gattungen der Wasserweideriche (Decodon) und Jungfernreben (Parthenocissus) identifizieren. Mit Hilfe von Photogrammetrie gelang es, die Pollenmasse im Hinterleib des Tieres als dreidimensionale Aufwölbung sichtbar zu machen." Solche fossilen Nahrungsreste sind weltweit extrem selten. Sie geben uns Hinweise auf die Lebensweise, auf das Freßverhalten der Tiere, sowie auf die Umweltbedingungen, in welchen die Insekten damals gelebt haben", sagt Wedmann.

Im Körper der fossilen Fliege fanden die Wissenschafter große Pollenmengen, hier im rechten Bild als rote Aufwölbung sichtbar gemacht. Links in gelb die Probenahme-Stellen.
Fotos: Senckenberg

Pflanze vom Waldrand

Obwohl die fossile Messel-Flora von Elementen (sub-)tropischer Wälder geprägt ist, deutet der Mageninhalt der neuentdeckten Fliege darauf hin, dass sie ihre Nahrung nicht in einem dichten, geschlossenen Wald fand. Mit über 50 Prozent machten Pollen der Jungfernreben (Parthenocissus) den Haupanteil des gefressenen Blütenstaubs aus, dicht gefolgt von Pollen des Wasserweiderichs Decodon. Letztere ist eine krautige, in der Regel einen halben bis zwei Meter hohe Pflanze, die in seichten Gewässern und an deren Rändern wächst.

Die hohe Anzahl der Parthenocissus-Pollen unterstützt die Rekonstruktion, dass die Fliege sich von Pflanzen ernährte, die am Waldrand und entlang des Messel-Sees wuchsen. "Die Fliegen haben sicherlich auf Langstreckenflüge zwischen ihren Futterpflanzen verzichtet, um Energie zu sparen", vermutet Wedmann. "Wir gehen daher davon aus, dass die zu den Pollen gehörigen Pflanzen auf einem relativ kleinen Gebiet zu finden waren."

Die Fliegen fressen nicht nur die Pollen, bei ihrem Besuch an den Blüten bleiben auch Pollen an den winzigen Härchen auf ihrem Körper haften, sodass sie zur Verbreitung der Pollen beitragen. "Fliegen waren in alten subtropischen und tropischen Ökosystemen wichtige Bestäuber und stellten möglicherweise sogar die Bienen in ihrer Rolle in den Schatten", so der Forscher. (red, 13.3.2021)