In unserer Leserschaft, speziell der Online-Community, wird immer häufiger der Ruf nach Elektrokombis laut. Er wird gehört werden. Aber nur vereinzelt. Keinesfalls sollte man sich große Hoffnungen machen auf eine echte Renaissance. Denn der Kombi ist mittlerweile ein ausschließlich (mittel-)europäisches Phänomen, und die Musik spielt längst woanders, in Fernost vor allem, in China. Da lohnt die Investition in das Derivat Kombi kaum noch.

Porsche Taycan Cross Turismo und...
Foto: Porsche

Immerhin, drei konkrete Beispiele, dass der Rucksack lebt, der Kombi nicht an der Elektrobarriere zerschellt, sind erkennbar. Zum einen, wenn auch in der Lifestyle- und, leider, leider, Hochpreisecke, der Porsche Taycan Cross Turismo. Selbe Technik wie bei der Limousine (280 bis 460 kW Leistung, mit Overboost: 350 bis 560 kW; bis zu 450 km Reichweite), aber eben mit dem gewissen Mehr beim Alltagsnutzen. Hinten bietet der multipel talentierte eilige Shooting Brake 47 mm mehr Kopffreiheit, der Kofferraum fasst 446 bis 1212 Liter. Gepäck aber am besten immer gut fixieren. Ab Sommer, Kostenpunkt: € 96.990 bis 192.063.

...das Serienmodell auf Basis der Studie VW ID Space Vizzion markieren die Zukunft des Kombis.
Foto: Volkswagen

Und dann war da 2019 die E-Kombi-Studie ID. Space Vizzion. Ein E-Kombi à la Passat Variant, nur größer. Mit 4,96 m Länge und 2,97 m Radstand liegt das Fahrzeug noch über dem Niveau eines Škoda Superb Combi, kommt mit 586-Liter-Kofferraum aber nicht an diesen (660–1950 l) heran; mal sehen, wie das dann in der Serie aussieht. Als Starttermin geistert Ende 2023 herum, ursprünglich war Ende 2021 geplant. Die beste Nachricht jedenfalls lautet, dass VW dem Kombi treu bleibt, und die weitere Studienkonfiguration – 82-kWh-Batterie, knapp 600 km Reichweite, 250 kW Leistung – wird trotz voraussichtlicher Skalierbarkeit die zu erwartenden Rahmendaten schon recht gut skizzieren.

Wegmarken einer großen Vergangenheit und der Gegenwart wären Volvo 745...
Foto: Volvo
...Mercedes W123 T-Modell...
Foto: Mercedes-Benz

Erwarten würden sich die Leute aber vor allem etwas Kompaktes, Leistbares, Arbeitstitel: ID.3 Variant, und genau in diese Lücke stößt jetzt das Reich der Mitte vor. Wenn die Europäer sich immer mehr um die Chinesen kümmern, kümmern die Chinesen sich um uns: Im Oktober startet der MG 5 Electric. MG, ex-britische Traditionsmarke, heute im Bauchladen des Autoriesen Saic, beweist einen guten Riecher, der doppelte Ladetyp wird obendrein deutlich günstiger sein als die vorigen Beispiele. Mit 4,54 m Länge, 2,67 m Radstand und 578 bis 1456 l Kofferraum spielt der MG in der Kompaktliga, die Maße entsprechen etwa denen des Golf Variant – nur ist das eben ein Elektrokombi. Mit 135 kW-E-Motor, 52,2-kWh-Akku und circa 400 km Reichweite.

...BMW 3er Touring (E30/5)...
Foto: BMW Group Archiv
...Audi RS6 Avant...
Foto: Audi

Reiche Geschichte

So mager die absehbare Zukunft, so reichhaltig die Geschichte dieser Fahrzeuggattung. Was gab es da nicht alles an denkwürdigen Repräsentanten. Wollte man eine Anthologie mit den beliebtesten, schönsten, schrägsten, schnellsten Kombis aller Zeiten zusammenstellen, es ginge nur in Buchform. Uns bleibt eine reichlich beliebige Auswahl. Um etwa aufzuzeigen, welche Bedeutung der Kombi einst in den USA hatte, ließe sich auf die Sonderform der Woodies verweisen; mit Holzlackierung, die letztlich auf die Go-West-Pioniertradition und die Plan- und Bollerwagen reflektiert. Fahrzeuge aus den 1940ern wie Chrysler Town & Country, Packard Eight, Pontiac Special Serie 25 (man könnte streiten, ob so etwas sich nicht auch als Minivan interpretieren ließe) bis hin zum Pontiac Safari aus den 1980er-Jahren kommen einem hier in den Sinn.

...Opel Ascona Caravan...
Foto: Opel
...Chrysler Town & Country...
Foto: Chrysler/Stellantis

Die Woodie-Mode machte auch vor Europa nicht halt, ein Exempel wäre der DKW F 89 U "Universal" (ab 1951), ein anderes der Opel Ascona Caravan, und mit dem und dem Kadett A und B Caravan (1960er-, 70er-Jahre) sind wir dort, wo die Karriere des Kombis bei uns begann: als robustes Maler-, Tapezierer und Handwerkervehikel. Was heute Fahrzeuge wie Renault Kangoo oder VW Caddy abdecken, half damals, den (vor allem) Berufsalltag zu erleichtern.

...Peugeot 504 Break...
Foto: Peugeot
...Citroën CX Break.
Foto: Citroën

Es dauerte nicht lange, bis auch die Premiumklasse Ge fallen fand am Thema, letztlich die Geburtsstunde des Lifestylekombis: Mercedes-Benz W123 T-Modell (ab 1978) und BMW 3er Touring (E30/5; ab 1987) markieren die Zeitschiene. Keinesfalls fehlen in der Ruhmeshalle dürfen auch Berühmtheiten wie der kantige Kombiriese Volvo 745 (ab 1985), Peugeot 504 Break (1971) und eine Riege von Citroëns, um bei den Franzosen zu bleiben (zum Beispiel die Breaks von DS, CX, XM). Heute gibt es keinen einzigen Citroën-Kombi mehr, bei Peugeot immerhin 308 SW und 508 SW. Dass die Gattung auch im Ostblock punktete, zeigt der Trabant 601 Universal, dass es einen Gipfel an Exzentrik gibt, der – Mamma mia! – Intermeccanica Murena 429 GT (1969), und für aktuelle Hochleistungskombis steht repräsentativ der Audi RS6 Avant (600 PS). Mit Audis erstem Kombi, dem 100 Avant (C3) von 1983, schließt sich der Kreis zum Taycan Cross Turismo. Weil: Shooting Brake. (Andreas Stockinger, 10.4.2021)