Blick auf den Hauptsitz der EU-Kommission in Brüssel.

Foto: AFP/Aris Oikonomou

Brüssel – Die EU-Kommission will den Rechtsrahmen für Gentechnik reformieren, um neue Verfahren zur Veränderung des Erbguts bei Pflanzen zu regeln. Wie die Behörde am Donnerstag mitteilte, will sie dazu "einen breit angelegten und offenen Konsultationsprozess".

Hintergrund ist eine Studie der Kommission, die zu dem Schluss kommt, dass neue Gentechnikverfahren "zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem" beitragen können. Umwelt- und Verbraucherschützer befürchten eine Aufweichung bisher strikter Bestimmungen. Auch österreichische Umwelt-NGOs wie Global 2000 äußerten massive Bedenken.

Gegen Rechtsunsicherheiten

"Um für die Zukunft gerüstet zu sein", müssten die EU-Regeln an den "wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt angepasst werden", erklärte die Kommission. Sie untersuchte sogenannte neuartige genomische Verfahren zur Veränderung des Erbguts, die seit der Jahrtausendwende entwickelt wurden.

Der Studie zufolge können über sie Erzeugnisse entwickelt werden, die einen besseren Nährwert haben und geringen Pestizideinsatz in der Landwirtschaft erfordern. Für einige dieser Verfahren ist aus Sicht der Kommission aber eine Anpassung der bisher geltenden Gentechnikrichtlinie der EU nötig.

Ein Grund dafür ist die sogenannte Mutagenese. Bei ihr kann das Genmaterial von Pflanzen ohne das Einfügen fremden Erbguts wesentlich schneller und präziser verändert werden. 2018 entschied der Europäische Gerichtshof, dass Mutagenese-Produkte als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzustufen sind. Sie unterliegen daher den strengen EU-Regeln auf dem Gebiet.

Die Kommission verwies nun auf "Rechtsunsicherheiten", die eine Reform notwendig machten. Hauptargument der Experten ist, dass per Mutagenese erzeugte Pflanzen nachträglich kaum von Produkten herkömmlicher Methoden wie Selektion und Kreuzung oder auch chemischer oder radiologischer Verfahren zu unterscheiden sind. Doch all diese Verfahren "unterliegen nicht den GVO-Regeln", unterstreicht der Bericht.

Kritik von Umwelt-NGOs

Umwelt-NGOs reagierten entsetzt. "Wenn dieser gefährliche Vorstoß der EU-Kommission durchgeht, in den europäischen Institutionen und in neue Gentechnikgesetze einfließt, dann werden mit gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas manipulierte Lebensmittel ohne Kennzeichnung auf unseren Äckern und Tellern landen. Die österreichischen Vertreter*innen müssen sich in Brüssel für unsere Wahlfreiheit und Gentechnikfreiheit einsetzen!", so Brigitte Reisenberger, Gentechniksprecherin von Global 2000. (APA, AFP, 29.4.2021)