Klimagerechtigkeit und Maßnahmen gegen die globale Erderwärmung, das fordern auch in Frankreich viele junge Menschen. Einiges soll nun angegangen werden.

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Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire machte mächtig Druck. Vor den Beratungen der Eurogruppe Ende vergangener Woche in Lissabon drang er auf erste Auszahlungen aus dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds bis spätestens Ende Juli. Das Geld werde dabei helfen, dass Europas Wirtschaft ihr Vorkrisenniveau von Anfang 2022 wieder erreichen könne, so Le Maire. Der Fonds werde die konjunkturelle Erholung unterstützen und für notwendige Investitionen sorgen.

Eigentlich waren erste Auszahlungen schon für Anfang des Jahres angedacht, spätestens für das Frühjahr. Doch das hat sich immer weiter nach hinten verschoben. Noch immer haben nicht alle EU-Länder die nötigen Ratifizierungen umgesetzt. Die Gelder sollen Europa vor allem digitaler und umweltfreundlicher machen. Die Pläne sind ambitioniert.

Vom Nachzügler zum Primus

Werden die Nachzügler nun gar zu Klassenbesten? Mit Frankreich, Italien und Spanien realisieren die drei größten Länder Südeuropas derzeit Umweltpläne, deren Ausmaß alles Bisherige in den Schatten stellt. In Paris hat die Nationalversammlung Anfang des Monats ein monatelang erarbeitetes Klimagesetz verabschiedet.

Einige dieser Maßnahmen präsentiert Frankreich auch der EU-Kommission, die über ihren Covid-Wiederaufbauplan mitzahlt, sofern mindestens 37 Prozent der Projekte "grün" gefärbt sind.

Die Pandemie macht es möglich: Frankreich erhält knapp 40 Milliarden Euro versprochen, Italien 191 Milliarden und Spanien 140 Milliarden. Das Trio, sonst eher bekannt für Fremdenverkehr als für eine konsequente Energiewende, erhält damit fast die Hälfte des EU-Plans von 750 Milliarden Euro. Frankreich selbst schießt noch einmal 60 Milliarden bei.

Verkehrswende

Ein Gutteil fließt – wie auch in Italien und Spanien – in Verkehrsmaßnahmen, die einen gewaltigen Aufwand erfordern: in die Schaffung eines nationalen Netzes an Ladestationen für E-Autos oder auch den Ersatz von Dieselbussen durch elektrische Vehikel des öffentlichen Verkehrs. Ohne Mitfinanzierung durch die EU würden diese Projekte sicher nicht in diesem Umfang realisiert.

Die meistdiskutierte Neuerung des französischen Klimagesetzes: Das flächenmäßig größte Land der EU untersagt Inlandflüge auf Strecken, die mit dem Zug in zweieinhalb Stunden zu schaffen sind. Betroffen wären etwa Linien wie Bordeaux–Lyon. Die Linkspartei Unbeugsames Frankreich scheiterte mit der Forderung, Flüge auf Zugstrecken von bis zu vier Stunden zu untersagen. Der riesige Pariser Hub bliebe verschont. Auch er fällt aber unter ein generelles Ausbauverbot für Flughäfen.

40 Milliarden Euro: So viel erhält Frankreich aus dem EU-Wiederaufbautopf. Viel fließt in den Verkehr.

Wie umstritten die meisten Klimamaßnahmen sind – oder wie sehr der Teufel im Detail liegt –, zeigt sich beim Reizthema des vegetarischen Essens in der Schule. Das Gesetz schafft eine Verpflichtung an einem Tag pro Woche, und dies nur in Grundschulen. Die Grünen wollten drei oder vier "vegetarische" Wochentage, und zwar auch an den Mittelschulen. Umweltministerin Barbara Pompili und Präsident Emmanuel Macron lehnten dies als nicht machbar ab.

Greenpeace France wirft der regierenden Partei La République en Marche vor, sie habe die 150 Vorschläge eines – per Losentscheid gebildeten – Bürgerkomitees in der Parlamentsdebatte völlig verwässert. Der Vorwurf trifft insofern zu, als Macron versprochen hatte, er werde die Vorschläge der 150 "ohne Filter" umsetzen. Das tut er in keinem Fall. Länder wie Österreich hatten allerdings gleich ganz darauf verzichtet, die Bürger und Bürgerinnen in die Sache einzubeziehen.

Ökosteuer für Verbrenner

Den politisch brisanten Vorschlag einer "Ökosteuer" für Verbrennungsmotoren – sie hatte vor zwei Jahren zur Bildung der Gelbwesten-Bewegung geführt – delegiert der Staatschef zum Beispiel elegant an die Regionen.

Dafür schafft er den Tatbestand des "Ökozids". Wie weit diese großangekündigte Maßnahme von den Gerichten wirklich angewendet wird, muss sich weisen. Wichtiger scheinen fürs Erste zwei urbanistische Projekte: das Verbot übermäßiger Betonierung der Böden sowie eine Pflicht zur Dachbegrünung bei gewissen Neubauten. Für schlecht isolierte Gebäude wird ein Mietverbot geschaffen.

Pompili erklärte, Frankreich schaffe generell eine "Ökologie, die an die Türe klopft" – die also den Alltag den Bürger betreffe. Wer vom Auto aufs Fahrrad umsteigt, kriegt eine finanzielle Starthilfe. Im Supermarkt werden Produkte ohne Verpackung und das Selbstabfüllen gefördert. Faltprospekte werden zum Teil verboten, Ersatzteile generell gefördert.

Trotz aller Kritik grüner Politiker zeugt das französische Klimagesetz von einem Umdenken. Der Oppositionspolitiker François Ruffin monierte, die Macron-Partei setze die gleichen Vorschläge um, die er schon vor zwei und drei Jahren gemacht habe – die Macron aber damals abgeschmettert habe. Immerhin werden sie jetzt umgesetzt. (Stefan Brändle aus Paris, 25.5.2021)