"Belästigte Frauen sollen nicht zum zweiten Mal Opfer werden", sagt die auf Gleichbehandlungsfragen spezialisierte Rechtsanwältin Petra Smutny.

Foto: Petra Smutny

Die Wiener Rechtsanwältin Petra Smutny arbeitete zum Thema sexuelle Belästigung als Richterin, Mediatorin, Vortragende und im Justizministerium. Als Anwältin vertrat sie 2019 die Opfer von Gustav Kuhn, dem damaligen Intendanten der Tiroler Festspiele Erl. Mit ihrem Aufschrei lösten sie damals die erste #MeToo-Bewegung in der österreichischen Kunstbranche aus.

Ihre kostenlose Erstberatung für mutmaßliche Belästigungsopfer des Wiener Medienmanagers Wolfgang Fellners – er bestreitet jegliche Vorwürfe vehement – sieht sie als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zu den bestehenden Angeboten der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Ihr Angebot sei durch eine Anfrage der Wiener Rechtsanwaltskammer zustande gekommen, so Smutny.

STANDARD: Gibt es ein Muster, das vorgefallen sein muss, damit sich Betroffene an Sie wenden können?

Smutny: Nein. Frauen, die sich melden, weil aus ihrer Sicht eine Belästigung stattgefunden hat, werden bei mir eine erste rechtliche Auskunft unter völliger Zusicherung der Verschwiegenheit erhalten.

STANDARD: Worauf müssen sich mögliche Opfer gefasst machen?

Smutny: Was ich in jedem Fall verhindern möchte, ist die Mentalität: Operation gelungen, Patientin tot. Belästigte Frauen sollen nicht zum zweiten Mal zum Opfer werden, indem sie ihre eigene Zukunft verbauen. Die hervorragende Journalistin oder Moderatorin soll als solche bekannt bleiben und nicht nur als die Frau X., die den Medienmacher Y. zu Fall gebracht hat.

STANDARD: Warum ist es wichtig, sich zu melden und sich zu wehren?

Smutny: Vorrangig ist für mich: Was ist für die betroffene Frau wichtig und richtig. Ich kann auf diesem Weg nur fachlich und mit meiner Erfahrung bestmöglich unterstützen. Freilich – siehe #MeeToo – können öffentlich geführte Auseinandersetzungen ein gesellschaftliches Umdenken auslösen und so vielen möglichen Belästigten in der Zukunft helfen.

STANDARD: Was können Sie tun, wenn juristische Ansprüche verjährt sind?

Smutny: Sehr vielen Frauen geht es nicht um eine finanzielle Entschädigung, auch nicht um Bestrafung. Vielen wollen diese offene Wunde durch die Beeinträchtigung ihrer Würde schließen. In meiner Erfahrung fühlen sich Belästigte etwa durch betriebliche Maßnahmen, die zur Prävention von Belästigung infolge des von ihnen erlittenen Vorfalls eingerichtet werden, oft viel mehr unterstützt und wertgeschätzt als durch ein paar Hunderter.

STANDARD: Wo sehen Sie die größten Hürden, um Übergriffe zu melden?

Smutny: Einerseits die schlichte Unwissenheit, worum es bei sexueller Belästigung überhaupt geht, von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. In meinen Seminaren bestätigen sich immer noch falsche Vorstellungen wie "So etwas muss man in einem toughen Arbeitsleben eben aushalten" bis zu "Jetzt darf man nicht einmal mehr gemeinsam mit dem Lift fahren". Dazu kommt, dass Belästigungen am Arbeitsplatz häufig eine Vorgeschichte haben.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

Smutny: Belästigende Präsidenten, Dirigenten, Primare oder Geschäftstreibende sind vielfach auch charismatische, in ihrem Bereich äußerst erfolgreiche Menschen. Viele Betroffene haben diese Menschen davor auch bewundert oder sich von dieser Stärke angezogen gefühlt.

STANDARD: Bewunderung, die den Opfern später zu deren Nachteil ausgelegt werden kann. Auch heute noch werden Frauen, die sich zu Wort melden, medial angeschwärzt.

Smutny: Mit Gegenoffensiven, die natürlich dabei ansetzen, auf persönlicher Ebene zu verunglimpfen, muss leider gerechnet werden. Da kann man in gewissen Grenzen gegensteuern. Wichtig ist hier auch, darüber zu reflektieren, mit welchen Gegenangriffen gerechnet werden muss, bevor man sich outet. (Laurin Lorenz, 26.5.2021)