Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger greift einen Oberstaatsanwalt der WKStA an und glaubt, die ÖVP werde von der Justiz schlechter behandelt als andere Parteien.

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Der ÖVP-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss, Andreas Hanger, attackierte am Dienstag bei einer Pressekonferenz den Oberstaatsanwalt Matthias Purkart. Dieser ist in der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) etwa für die Ermittlungen rund um Öbag-Chef Thomas Schmid samt Chatauswertungen zuständig.

Hanger warf dem Staatsanwalt "unglaubliche politische Befangenheit vor", weil er tausende Chats an den U-Ausschuss liefern lasse, die nicht relevant seien. Das seien bloß Chats, die "irgendwelche Seifenopern beinhalten", meinte Hanger. In den Ermittlungen wegen Falschaussagen gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz – es gilt die Unschuldsvermutung – ortet er eine "falsche Prioritätensetzung". Die WKStA solle sich lieber um Korruptionsbekämpfung als um "Wortklauberei" kümmern, versuchte sich der Abgeordnete mit einer Forderung an die Justiz. Hanger griff Staatsanwalt Purkart auf persönlicher Ebene an, indem er ihm "Fehlleistungen" unterstellte, die auch damit zu tun hätten, dass er "massiv überarbeitet" sei. Purkart habe sich bei seiner Aussage im U-Ausschuss mit Kritik an anderen staatlichen Behörden obendrein "unglaublich generiert" (sic! – gemeint wohl "geriert"), das solle sich die Fachaufsicht genauer anschauen.

Kritik an Einstufung der Relevanz von Chat

Hanger kritisierte etwa, dass eine Nachricht von ÖGB-Chef Wolfgang Katzian an Thomas Schmid seitens der WKStA nicht als relevant eingestuft worden sei, obwohl es darin um die Bestellung Schmids zum Öbag-Alleinvorstand ging. Diese Einstufung hält Hanger für "unverständlich". Dass die ÖVP den besagten Chat selbst geleakt hat, wie Purkart im U-Ausschuss erklärt hatte, bestritt Hanger übrigens nicht. "Die Wahrheit ist, dass das alle machen", sagte er. Es brauche eine Gesamtreform des Systems, damit Akten nicht mehr so leicht an die Öffentlichkeit gespielt werden können. Man müsse etwa hinterfragen, ob künftig die Verfahrensbeteiligten das Recht behalten sollen, Akten an Medien weiterzugeben. Hier sei Justizministerin Alma Zadić (Grüne) gefordert, die Regelungen zu überarbeiten.

Spritzwein statt Ermittlungen

Ein weiterer Kritikpunkt Hangers betraf eine Aussage des Wiener Ex-Bürgermeisters Michael Häupl (SPÖ) in einem U-Ausschuss zum Bau des Krankenhauses Nord. Häupl hatte dort 2019 eine Aussage zum Inhalt eines Telefongesprächs mit Stadträtin Sonja Wehsely zunächst verweigert und danach behauptet, er könne sich nicht mehr daran erinnern. Es sei unerhört, dass die WKStA seither keine Ermittlungen wegen Falschaussage gegen Häupl aufgenommen hat, so Hanger. Eine Sachverhaltsdarstellung zu dem Thema hat die ÖVP allerdings seit damals nicht verfasst, wie Hanger auf Nachfrage einräumte. Er erwarte sich, dass die Justiz nach dem Offizialprinzip von sich aus aktiv werde. Nicht ohne verschwörerisch über eine angebliche Blindheit der Justiz gegenüber Verfehlungen von SPÖ-Politikern zu raunen: "Vielleicht gehen alle auf einen Spritzwein, und alles ist erledigt." Das deute darauf hin, dass mit zweierlei Maß gemessen werde.

Andererseits wurde Hanger nicht müde zu betonen, dass er keinesfalls die Justiz insgesamt angreifen wolle: "Die Justiz arbeitet hervorragend, aber man muss auf einzelne Fehlleistungen hinschauen."

SPÖ kritisiert "brutalen Provokateur" Hanger

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch reagierte auf Hangers Pressekonferenz mit scharfer Kritik: Die massiven Angriffe der Volkspartei auf die unabhängige Justiz seien nicht hinnehmbar: "Wer in blanker Panik so um sich schlägt, alles und jeden attackiert und den Rechtsstaat nur noch mit Füßen tritt, ist eine Gefahr für die Demokratie." Hanger trete "als brutaler Provokateur auf" und heize das politische Klima immer weiter an, schrieb Deutsch in einer Aussendung.

Auch für die NEOS ist es "inakzeptabel und besorgniserregend, dass die ÖVP nun einzelne Staatsanwälte herauspickt und ihnen politische Befangenheit unterstellt".

Justizministerium tritt Vorwürfen Hangers entgegen

Eine Mediensprecherin der Justiz widersprach am Dienstag der Darstellung Hangers vehement. Sie wies sowohl Vorwürfe, die Justiz würde die Aufklärung durch zögerliche Vorlage behindern, zurück als auch den gegenteiligen Vorwurf, die Justiz würde überschießend vorlegen. Die Justiz prüfe Unterlagen von beachtlichem Umfang – und lege sie in der Reihenfolge vor, die der U-Ausschuss festgelegt hat. Um dies rasch erledigen zu können, seien den Staatsanwaltschaften vom Justizministerium zusätzliche Mitarbeiter zur Verfügung gestellt worden.

Zudem erklärt das Justizministerium: "Wer den Staatsanwaltschaften politische Motive unterstellt, verdreht die Prinzipien des Rechtsstaats und der Strafverfolgung, wie sie im Gesetz definiert sind". Staatsanwälte seien gesetzlich verpflichtet, bei entsprechender Verdachtslage – etwa nach einer Anzeige – alle Schritte zur Aufklärung eines Sachverhalts zu setzen.

Hanger-Antwort im "Report"

ORF

Am Dienstagabend war Hanger noch im ORF-"Report" zu Gast. Angesprochen auf die Replik des Justizministeriums sagte er, dass dieses "schlecht recherchiert" habe. "Das stimmt so einfach nicht, wie das Justizministerium das dargestellt hat."

Auf die Frage, ob die ÖVP-Strategie der anhaltenden Kritik an der Justiz richtig sei, sagte Hanger: "Wir waren monatelang mit Skandalisierungen konfrontiert, es war höchst an der Zeit, sich dagegenzustellen. Das mache ich sehr gern." (Theo Anders, 1.6.2021)