Wer die Atemmuskulatur trainieren möchte, sollte diese auch fordern. Etwa durch Intervalltraining oder Hügelsprints.

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Wer mal ein paar Wochen oder Monate sportlich ruhiger getreten ist, kennt das Problem: Der Wiedereinstieg ist hart. Kleine Steigungen, die man beim Laufen früher fast mühelos erklommen hat, bringen einen plötzlich ins Schnaufen.

Das bedeutet: Das Atemzugvolumen und die Atemfrequenz steigen an. Sauerstoff gelangt in die Lunge und von da zu den Muskeln, die ihn für ihre Leistungsfähigkeit brauchen. Irgendwann reicht das bei großer Anstrengung aber nicht mehr: Der Körper kommt in eine sogenannte Sauerstoffschuld. Die Muskeln übersäuern. Die sogenannte anaerobe Schwelle ist überschritten. Jetzt wird es hart.

Wohlgemerkt: Das Schnaufen hat in den allermeisten Fällen nichts damit zu tun, dass die Lunge nicht richtig arbeitet. Im Gegenteil: "Die Lunge ist bei gesunden Menschen sogar überdimensioniert", betont Sportmediziner Robert Fritz von der Wiener Sportordination. Die Atemnot bei großer Anstrengung komme von einem Stoffwechselprozess: "Der Körper versucht, ganz vereinfacht gesagt, die Säure in den Muskeln wegzuatmen."

Schneller im Ziel

Der Sportphysiologe Urs Boutellier von der ETH Zürich vertritt einen etwas anderen Standpunkt: Für ihn ist die Steigerung der Atemfrequenz bei Anstrengung vielmehr ein atmungsmechanisches Problem. Die dafür nötige Muskulatur – dazu gehört beispielsweise das Zwerchfell, aber auch Zwischenrippen- und Bauchmuskulatur – ermüde und arbeite daher ineffizienter. Dazu kommt, dass diese Muskulatur gleichzeitig auch den Rumpf stabilisiert: "Die schnellere Atemfrequenz könnte auch dazu dienen, diese zwei Aufgaben noch unter einen Hut zu bringen", so Boutellier.

Die meisten kennen das Gefühl: Die Atemfrequenz geht bei großer Anstrengung so lange nach oben, bis nichts mehr geht. "Dann muss man entweder aufhören oder das Tempo verlangsamen", sagt Boutellier. Im Rückschluss bedeutet das aber auch: Wenn man das Außer-Atem-Kommen bei Wettkämpfen länger hinauszögern kann, kann das Tempo länger gehalten werden – und man kommt schneller ins Ziel.

Für diese bessere Leistung muss man die Atemmuskulatur laut Boutellier aber trainieren – und zwar genau so, wie man auch andere Muskeln im Körper trainiert: Sie muss gefordert werden, damit sie sich verbessert. Das funktioniert im Laufalltag etwa mit Bergläufen und Intervallen, bei denen man außer Atem kommt.

Basierend auf diesen Erkenntnissen hat die ETH Zürich gemeinsam mit dem Schweizer Unternehmen Idiag erst den "Spirotiger" zum Training der Atemmuskulatur entwickelt, später das Trainingsgerät "P100". Dieses gezielte Atmen ist, wenn man Erfahrungsberichten im Internet Glauben schenkt, ziemlich anstrengend.

Für verletzte Profis

Aber ist ein solches Training sinnvoll? Laut Boutellier verbessert sich die Leistungsfähigkeit durch das Training der Atmungsmuskeln tatsächlich, das hätten Studien gezeigt. Bei Spitzensportlern, für die das natürlich besonders interessant wäre, sei dieser Nachweis aber nicht so einfach zu erbringen. Daher sei schwierig zu sagen, wem das kräftezehrende Training etwas bringt – und wem nicht: "Wir hatten einen Ruderer, der hat sein Atemminutenvolumen von 160 Litern pro Minute auf 220 gesteigert." Nachsatz: "Aber das hat ihm beim Rudern nichts gebracht."

Wo sich das Atemmuskulaturtraining aber laut Boutellier bewährt hat: Verletzte Profis, die noch nicht wieder voll in ihren Sport einsteigen konnten, konnten damit wenigstens ihre Atemmuskulatur halten oder sogar verbessern.

Auch der Sportmediziner Robert Fritz sieht das Training der Atemmuskulatur eher im Profibereich angesiedelt, wo alles versucht wird, um auf hohem Niveau die Leistung noch einmal zu verbessern. Auch von Hobbysportlerinnen und -sportlern würden solche Geräte immer wieder nachgefragt. "Es schadet sicher nicht, das mal auszuprobieren", sagt ihnen Fritz dann. Er verweist aber auch auf den hohen Preis solcher Geräte. "Und wer nur zweimal in der Woche laufen geht, sollte vorher noch an vielen anderen Schrauben drehen."

Atemlos im Wettkampf

Davon, dass die Atmung wichtig für die Leistungsfähigkeit ist, ist auch Tatjana Lackner, Sprechtrainerin und Geschäftsführerin der "Schule des Sprechens" in Wien, überzeugt. Sie erzählt von Olympia-Teilnehmern, mit denen sie bereits die richtige Atmung erarbeitet hat.

Atmung könne als Stabilisierung dienen. Das sei beispielsweise für Biathleten entscheidend, die trotz klirrender Kälte und großer körperlicher Anstrengung exakt schießen müssen. Wichtig sei die richtige Atmung aber auch im Ausdauerbereich – beim Langstreckenlauf etwa und im Rudern. Hier gehe es darum, die Tiefatmung zu nutzen, um die letzten Kräfte zu mobilisieren oder sich in Momenten größter Anstrengung selbst zu beruhigen und abzulenken.

"Ich habe das Gefühl, dass im Spitzensport zu wenig Fokus auf der Atemtechnik liegt", sagt Sprechtrainerin Lackner. Oftmals kämen Athletinnen und Athleten, bei denen zwar die umliegende Muskulatur trainiert ist – nicht aber die Atemmuskulatur.

Nicht zuletzt merke man das Problem mit der Atmung auch im Anschluss an den Wettkampf bei den Interviews, bei denen häufig immer noch um Atem gerungen wird. Mit der richtigen Technik, sagt Lackner, wäre auch das kein Problem. (Franziska Zoidl, 17.7.2021)