Die Pilot-Anlage auf einem Gebäude der ETH Zürich lieferte unter realen Bedingungen 4,6 Milliliter Wasser pro Tag.

Foto: ETH Zürich / Iwan Hächler

Wasser aus der Luft zu gewinnen ist keine neue Idee. Doch an einer energiesparenden und kostengünstigen Umsetzung, bei der das wertvolle Nass trotzdem in vernünftig nutzbaren Mengen gesammelt werden kann, sind bereits viele gescheitert. 2014 etwa präsentierten ein Industriedesignstudent von der Wiener Universität für angewandte Kunst und ein Elektrotechnikstudent eine Wasserflasche, die sich selbst auffüllen sollte, etwa beim Radfahren oder Wandern. Nach Zweifeln an der Machbarkeit des ursprünglichen Konzepts, das auf Solarpaneele als Energiequelle setzte, wurde der Entwurf abgeändert (Strom aus der Steckdose oder einem Akku), was aber letztlich nicht verhindern konnte, dass das Start-up Fontus 2018 in die Pleite schlitterte.

Das Prinzip hinter dieser Idee ist freilich unbestritten und könnte vor allem in Weltgegenden, wo Süßwasser Mangelware ist, bei entsprechender Dimensionierung einen tatsächlichen Nutzen bringen: Die Feuchtigkeit in der Atmosphäre kondensiert an kühlen Flächen – und zwar in einigen Fällen ganz erheblich, wie an heißen Sommertagen jeder selbst an mit Eiswürfeln gekühlten Gefäßen beobachten kann. Je höher die Luftfeuchtigkeit und je kühler die Fläche, desto höher der Ertrag.

Temperaturdifferenzen

Dies gelingt entweder mit einem hohen Energieaufwand oder als "Passivtechnologie" mithilfe von Temperaturdifferenzen, etwa durch Wärmeunterschiede zwischen Tag und Nacht oder der Atmosphäre und dem kühleren Erdreich. Mit den bisherigen Passivtechnologien wie beispielsweise Tau-sammelnden Folien kann allerdings nur nachts Wasser gewonnen werden. Denn tagsüber heizen sich die Folien auf, was eine Kondensation unmöglich macht.

Wo etwa die Wiener Studenten gescheitert sind, soll Schweizer Forschern von der ETH Zürich nun ein Durchbruch gelungen sein. Mehr noch: Die Wissenschafter um Iwan Hächler haben einen Kondensator für Länder mit Wasserknappheit entwickelt, der erstmals ohne Energie rund um die Uhr Wasser aus der Luft gewinnen soll, selbst unter der glühenden Sonne. Möglich sei dies dank einer selbstkühlenden Oberfläche und eines Schutzschirms gegen die Sonnenstrahlen.

Spezialbeschichtung und Strahlungsschutzschild

Die im Fachjournal "Science Advances" vorgestellte Vorrichtung besteht im Wesentlichen aus einer speziell beschichteten Glasscheibe, die einerseits Sonnenstrahlung reflektiert und andererseits die eigene Wärme abstrahlt. Sie kühlt sich dadurch selbst ab – auf bis zu 15 Grad Celsius unter die Umgebungstemperatur. Auf der Unterseite dieser Scheibe kondensiert dabei Wasserdampf aus der Luft zu Wasser.

Die Wissenschafter beschichteten die verwendete Glasscheibe mit einem speziellen Polymer sowie mit Silber. Diese besondere Beschichtung führt dazu, dass die Scheibe einen bestimmten Wellenlängenbereich von Infrarot abstrahlt. Strahlung in diesem Bereich wird von der Atmosphäre nicht absorbiert und von den molekularen Bestandteilen der Luft auch nicht auf die Scheibe zurück reflektiert. Eine weitere wesentliche Komponente der Anlage ist ein neuentwickelter kegelförmiger Strahlungsschutzschild. Dieser schirmt die Wärmestrahlung aus der Luft sowie die Sonneneinstrahlung auf die Scheibe weitgehend ab, lässt gleichzeitig aber die erwähnte Wärmeabstrahlung und somit die Kühlung zu.

Nahe am theoretischen Optimum

Wie Tests der neuen Vorrichtung unter realen Bedingungen auf dem Dach eines ETH-Gebäudes in Zürich zeigten, lässt sich mit der neuen Technologie pro Fläche und Tag doppelt so viel Wasser gewinnen wie mit den besten bisherigen Passivtechnologien, die mit Folien arbeiten: Die winzige Pilotanlage mit einem Scheibendurchmesser von 10 Zentimeter lieferte unter realen Bedingungen 4,6 Milliliter Wasser pro Tag.

Umfangreichere Anlagen würden entsprechend ihrer größeren Fläche auch mehr Wasser liefern. Unter idealen Bedingungen lässt sich damit pro Quadratmeter Scheibenfläche und Stunde bis zu 53 Milliliter Wasser gewinnen, wie die Wissenschafter zeigen konnten. "Dies liegt nahe am theoretischen Maximalwert von 60 Milliliter pro Stunde, der sich aus physikalischen Gründen nicht überschreiten lässt", sagt Hächler.

Superwasserabstoßende Unterseite

Bei anderen Technologien muss das kondensierte Wasser in der Regel von einer Oberfläche mechanisch abgestreift werden, was ebenfalls Energie benötigt. Andernfalls würde ein bedeutender Teil des kondensierten Wassers an der Oberfläche haften bleiben, könnte nicht genutzt werden und würde eine weitere Kondensation behindern. Die ETH-Forscher versahen die Scheibe ihres Wasserkondensators auf der Unterseite jedoch mit einer superhydrophoben, also extrem wasserabstoßenden Beschichtung. Dadurch perlt das kondensierte Wasser von selbst von der Oberfläche ab. "Wir kommen damit im Gegensatz zu anderen Technologien wirklich ohne jegliche zusätzliche Energie aus, was ein entscheidender Vorteil ist", meint Hächler.

Mit anderen Techniken kombinierbar

Ziel der Wissenschafter war eine Technologie insbesondere für Entwicklungs- und Schwellenländer mit Wasserknappheit. In afrikanischen Ländern südlich der Sahara allerdings sei die Luftfeuchtigkeit zu gering, als dass sich die Wasserernte aus der Luft mit dieser Technologie eigenen würde, meinen die Forscher. Andere hätten nun auch die Möglichkeit, diese Technologie weiterzuentwickeln oder sie mit anderen Methoden wie der Wasserentsalzung zu kombinieren, um deren Ertrag zu erhöhen, wie das Team erklärte. Außerdem könnte man wie auch bei Solarzellen mehrere solche Module nebeneinander aufbauen, um so den Ertrag zu erhöhen. (red, 24.6.2021)