Harald Mahrer hat das Momentum genutzt. Während die türkis-grünen Verhandlungen über die Steuerreform Fahrt aufnehmen, hat der Chef der Wirtschaftskammer am Mittwoch seinen Vorstellungen darüber, wohin die Reise bei der Reform gehen muss, Nachdruck verliehen. Mahrer forderte eine Senkung der Körperschaftsteuer, eine Steuerentlastung für Betriebe mit viel Eigenkapital und mehr Investitionsförderung. Arbeiterkammer und Gewerkschaft müssen darauf reagieren, Mahrer hat den Takt vorgegeben.

Dieser Weckruf kommt aber sowieso zur rechten Zeit. Bei der geplanten Reform geht es für alle um viel. So brechen für die Koalition entscheidende Wochen an. Wenn es ihr gelingt, einen ordentlichen Wurf hinzulegen, stehen die Chancen gut, dass die Regierung die ganze Legislaturperiode durcharbeiten wird. Für die Grünen ist eine Ökologisierung des Steuersystems wichtig, die ÖVP will für Unternehmer etwas nach Hause bringen. Recht einig ist man sich, dass die obere Mittelschicht von einer Einkommensteuersenkung profitieren soll.

Um die Klimakrise zu entschärfen, wird es Kostenwahrheit beim CO2-Ausstoß brauchen.
Foto: imago images/Christian Ohde

Für die Gesellschaft kann die Reform eine Weichenstellung werden – oder eine vertane Chance. Um die Klimakrise zu entschärfen, wird es Kostenwahrheit beim CO2-Ausstoß brauchen. Es muss einen spürbaren Preis für klimaschädliches Verhalten geben, zugleich muss dieses Geld für Investitionen und als Kompensation für die großen Verlierer genutzt werden. Eine Wende hin zu einer ökologischen Volkswirtschaft ist eine Chance für mehr Wohlstand und Wachstum. Ob die Regierung das auch verstanden hat, muss sich erst zeigen.

So ist es klar, dass ein Umbau des Steuersystems nötig ist. Neben der Klimaabgabe wäre eine Entlastung des Faktors Arbeit für Unternehmen wie für Arbeitnehmer sinnvoll, das könnte einen weiteren Beschäftigungszuwachs bringen. Das erreicht man aber nicht durch eine Senkung der Körperschaftsteuern in Bausch und Bogen, wie das Mahrer will. Davon profitieren einige wenige profitable Betriebe. Stattdessen könnten die Lohnnebenkosten sinken, Unternehmen zahlen 3,9 Prozent von den Arbeitslöhnen in den Familienlastenausgleichsfonds. Hier anzusetzen wäre geschickter.

Ansonsten ist der Spielraum für Entlastungen in Wahrheit begrenzt. Die Budgetlöcher durch Corona sind noch nicht gestopft, und der Investitionsbedarf in den kommenden Jahren – Stichwort Schulsystem – wird eher größer denn kleiner. (András Szigetvari, 15.9.2021)