Ein Klassiker: Es wurde ein Fertigstellungstermin für ein Bauprojekt festgelegt, nur wird dieser nicht eingehalten. Hierbei handelt es sich um (Schuldner-)Verzug. Die Gründe für den Verzug können verschieden sein – es geht nicht immer darum, dass der Schuldner – konkret also der Werkunternehmer – "etwas dafürkann".

Was genau ist Verzug?

Verzug liegt gemäß dem Gesetz dann vor, wenn eine Leistung nicht zur vereinbarten Zeit, am vereinbarten Ort oder auf die vereinbarte Weise erbracht wird. In diesem Blogbeitrag steht die zeitliche Komponente im Fokus.

Sowohl der Auftragnehmer kann in Schuldnerverzug geraten, wenn er die vertraglich geschuldete Leistung (das Werk) nicht pünktlich liefert, als auch der Auftraggeber, wenn er die geschuldete Zahlung nicht leistet. Ein davon zu unterscheidender Gläubigerverzug liegt unter anderem vor, wenn der Auftraggeber die gehörig angebotene Leistung nicht annimmt. In der Folge geht es immer um den Schuldnerverzug.

Beispiele: Es wird vereinbart, dass der Tischler Einbaumöbel bis zum 1. 7. liefert. Am 1. 7. erfolgt jedoch keine Lieferung. Der Tischler erklärt daraufhin: "Es wird leider später werden."

Das schlüsselfertig bestellte Einfamilienhaus ist nicht wie vereinbart am 1. 9. bezugsfähig, sondern erst am 15. 1. des folgenden Jahres.

Weiters ist zwischen objektivem und subjektivem Schuldnerverzug zu unterscheiden. Der objektive Schuldnerverzug ist ein unverschuldeter Verzug, der unter anderem auf ein Ereignis höherer Gewalt oder "bloßen" Zufall zurückzuführen ist (der Auftragnehmer "kann nichts dafür").

Der subjektive Schuldverzug hingegen setzt ein Ereignis, das schuldhaft herbeigeführt wurde, oder einen Zufall voraus. Erst der subjektive Schuldnerverzug löst zusätzlich zu den sonstigen Rechtsfolgen Schadenersatzpflichten aus.

Beispiel: Der Tischler kann nicht liefern, weil er zu viele Aufträge angenommen hat. Hier liegt Verschulden vor. Kann der Tischler aber nicht liefern, weil seine (korrekt gewartete) Maschine plötzlich einen Schaden erleidet, so liegt vermutlich kein Verschulden vor.

Es gilt, zwischen objektivem und subjektivem Schuldnerverzug zu unterscheiden.
Foto: imago/photothek/U. Grabowsky

Was sind die Rechtsfolgen?

Wenn ein Vertragspartner – etwa der beauftragte Werkunternehmer – in Verzug gerät, kann der andere unter schriftlicher Festsetzung einer angemessenen Nachfrist den Rücktritt vom Vertrag erklären, wenn die vertragsmäßige Leistung nicht innerhalb der Nachfrist erbracht wurde. Natürlich muss kein Rücktritt erklärt werden. Man kann auch darauf bestehen, dass der Vertragspartner die Leistung erbringt. Aber Achtung: Die Nachfrist muss grundsätzlich gleichzeitig mit der Rücktrittserklärung gesetzt werden.

Ob die Gründe für eine Rücktrittserklärung vorliegen und wie lange "angemessen" bei der Nachfrist ist, ist nicht immer leicht zu beurteilen. Hierzu gibt es eine Fülle an einzelfallbezogener Rechtsprechung der Gerichte. Wenn der Auftraggeber zu Unrecht oder "falsch" vom Vertrag zurücktritt, gerät er leicht selbst in die Position des verschuldeten Schuldnerverzugs (weil er dann meist auch nicht zahlt) und Gläubigerverzugs (weil er im Glauben, der Vertrag wäre aufgelöst, die Leistung später ablehnt). Im Zweifel sollte hier rechtzeitig ein professioneller Rat eingeholt werden, bevor ein Vertrag überstürzt beendet wird.

Was passiert nun, wenn "korrekt" ein Rücktritt erklärt wurde?

Damit wird der Bauwerkvertrag aufgelöst und die erbrachten Leistungen sind zurückzugeben. Das ist nicht immer sinnvoll, insbesondere wenn der Werkunternehmer Sachen an einem Haus verbaut hat. In diesem Fall muss der Auftraggeber unter Umständen dennoch etwas bezahlen.

Ein Schadenersatzanspruch besteht jedoch nur, wenn den Auftragnehmer an der Verzögerung auch ein Verschulden trifft (siehe dazu die Beispiele oben).

Die Höhe des möglichen Schadenersatzes kann auch vorweg pauschaliert vereinbart werden. Durch die Vorauspauschalierung des Schadens ist der Eintritt eines konkreten Schadens gar nicht erforderlich. Das ist insofern praktisch, da also oftmals durch den Verzug gar kein finanzieller Schaden entsteht. Siehe Beispiel Tischler oben: Wenn der Tischler den Schreibtisch eines Kinderzimmers verspätet liefert, gibt es keinen finanziellen Schaden – ohne Schaden kein Schadenersatz. Wird allerdings die Ausstattung eines Geschäftslokals verspätet geliefert und kann daher das Geschäft erst verspätet eröffnen, so ist ein Schaden durchaus wahrscheinlich.

Eine Vertragsstrafe wegen zeitlichen Verzugs wird auch Pönale genannt und ist gängige Praxis in Bauverträgen. Sie ist ein gutes Druckmittel, um eben den Werkunternehmer dazu zu bringen, pünktlich zu liefern. Wenn der Bauvertrag dem ABGB unterliegt, gibt es keine festgelegte Höchstgrenze – wohl aber kann das Gericht stets eine zu hohe Vertragsstrafe herabsetzen. Im Unterschied dazu sind in der ÖNORM B2110 Höchstgrenzen zu beachten.

Wie kann Verzug vermieden werden?

Wann Verzug vorliegt, hängt von der vertraglichen Vereinbarung ab – also welchen Tag die Parteien als Fertigstellungsdatum vereinbart haben. Vermieden werden kann Verzug also dadurch, dass die Parteien von Anfang an realistische Abschätzungen und Angaben machen. Dies ist bei kleineren Aufträgen und Bauvorhaben durchaus möglich – bei komplexeren Bauvorhaben ist das oftmals schwierig.

Gerade bei etwas komplexeren Bauvorhaben gibt es daher neben dem Enddatum auch genaue Bauzeitpläne. Die Leistungserbringungen und die Rahmenbedingungen müssen genau definiert werden. So kann ein Verzug leichter festgestellt werden und eventuell einem Überschreiten des Enddatums noch entgegengesteuert werden.

Eine Möglichkeit, Verzug zu vermeiden, ist die Forcierung. Wenn ein möglicher Verzugsfall schon vorhersehbar ist, können kurzfristig auch bestimmte Arbeiten forciert werden. In der gleichen Zeitspanne werden beispielsweise mehr Arbeitskräfte eingesetzt, um den Bauzeitplan einzuhalten. Die Mehrkosten hat jener zu tragen, dem der Verzug zuzuordnen wäre.

Warum ist Verzug gerade jetzt im Fokus?

In der aktuellen Situation geraten vermehrt Auftragnehmer mit der Erfüllung ihrer Leistungen in Verzug. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und auch des begrenzten Rohstoffmarktes treten Lieferschwierigkeiten auf, und Arbeitskräfte stehen derzeit nur beschränkt zur Verfügung. Im letzten Jahr der Pandemie war Covid-19 und dessen Auswirkungen noch höhere Gewalt. Zumindest nach der ÖNORM B2110 ist sie der Seite des Auftraggebers zuzuordnen. Nunmehr ist die Pandemie Teil unserer neuen Lebensrealität, und es wird empfohlen, beim Abschluss von Verträgen Covid-19 miteinzuplanen. (Natascha Stanke, Rebecca Schretzmayer, 28.9.2021)