In Deutschland verrechnen derzeit 431 Banken Minuszinsen auf Kundeneinlagen. Einer wurde dies nun gerichtlich untersagt.

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Es ist ein Urteil mit Sprengkraft: Erstmals hat ein deutsches Gericht einer Bank untersagt, von ihren Kunden ein sogenanntes Verwahrungsentgelt, wie Negativzinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten offiziell bezeichnet werden, zu verrechnen. Darüber hinaus verpflichtete das Landgericht Berlin die Sparda-Bank, bereits eingehobene Minuszinsen wieder zurückzuzahlen. Eingebracht wurde die Klage von der Verbraucherzentrale Bundesverband, die zu einem "sehr guten Urteil für Verbraucherinnen und Verbraucher" geführt habe, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Die Sparda-Bank verrechnet seit September 2020 ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent auf Giro- und Tagesgeldkonten ab einem Freibetrag von 25.000 Euro, bei manchen Produkten beträgt dieser auch 50.000 Euro. Das Verwahrungsentgelt entspricht genau dem Zinssatz von minus 0,5 Prozent, den Institute für Einlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zu berappen haben. Die Sparda-Bank kündigte an, gegen das Urteil berufen zu wollen, da es von bisherigen Urteilen abweiche, wonach Verwahrungsentgelt grundsätzlich zulässig sei.

Bei 431 Banken Minuszinsen

Davon sind wohl auch die anderen 430 deutschen Institute ausgegangen, die derzeit laut dem Konsumentenportal Verivox ein Verwahrungsentgelt verrechnen. Ende des Vorjahres waren es noch 178 Banken, die Minuszinsen einhoben. Meist gibt es für Kunden dabei einen Freibetrag, mache Banken verrechnen die Negativzinsen aber schon ab dem ersten Euro.

Was Negativzinsen für Bankkunden in der Realität bedeuten? Jedes Jahr sinkt der Betrag des Ersparten um 0,5 Prozent. Dazu kommt die Geldentwertung aufgrund der in Deutschland sehr hohen Inflation von 4,5 Prozent im Oktober auf Jahressicht. Unter dem Strich summieren sich beide Effekte zu einem Kaufkraftverlust von derzeit fünf Prozent pro Jahr.

Da Zinsen unter null im deutschen Darlehensrecht eigentlich untersagt sind, definieren die Institute das Verwahren von Geld auf Konten als Sonderleistung, für die sie ein Entgelt verlangen dürfen. Daher werden die Minuszinsen auch nicht als solche bezeichnet, sondern eben als Verwahrungsentgelt.

Gilt auch für Gratiskonten

Genau in diesem Punkt hakte die Klage der Verbraucherzentrale ein. Ihrer Argumentation zufolge könne das Verwahrungsentgelt keine Sonderleistung sein, da andere Dienstleitungen einer Bank wie der Zahlungsverkehr ohne das Verwahren von Geld nicht funktionieren könnten. Eine Sichtweise, der das Landgericht Berlin folgte. Selbst bei kostenlosen Girokonten ist demnach ein Verwahrungsentgelt unzulässig. Ähnliche Klagen der Verbraucherzentrale gegen andere Kreditinstitute sind anhängig.

Auch in Österreich, wo Privatkunden vor der Weitergabe negativer Zinsen durch ein Urteil des OGH geschützt sind, leidet die Bankbranche unter dem negativen Einlagensatz der EZB. Da sie diese Belastung nicht direkt als Minuszins weiterreichen dürfen, heben sie stattdessen höhere Spesen und Gebühren ein – Bankkunden müssen also auch hierzulande für die Zinspolitik der EZB ihren Obolus leisten. Zumal Minuszinsen für Firmenkunden auch in Österreich längst eingehoben werden.

Schmerzhafte Urteile

Ob in Deutschland negativen Zinsen endgültig ein Riegel vorgeschoben wird, bleibt abzuwarten. Wegen der Brisanz des Falls dürfte er letztlich wohl vom Bundesgerichtshof entschieden werden. Die Karlsruher Höchstrichter haben heuer zwei für die Bankenbranche schmerzhafte Urteile gefällt. Einerseits müssen sie Gebührenerhöhungen in Milliardenhöhe zurückzahlen wegen unwirksamer Klauseln in den Geschäftsbedingungen. Zudem müssen sie vorenthaltene Zinsen von Prämiensparverträgen an Kunden nachzahlen. Nun droht womöglich auch noch die Rückzahlung aller als Verwahrungsentgelt getarnter Negativzinsen.

Sicher ist dies jedoch nicht. In einem anderen Fall gab das Landgericht Leipzig im vergangenen Sommer der Sparkasse Vogtland recht. Demnach darf diese ein Verwahrentgelt für neue Girokonten einheben. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat als Klägerin Berufung gegen das Urteil eingelegt. (Alexander Hahn, 17.11.2021)