Wie riecht das Abenteuer? Nach Bergamotte, Geranie, Zedernholz und Wildleder, würde Paul-Anton Esterházy wohl sagen. Diese Duftnoten sind im Parfum enthalten, das er, inspiriert von den Abenteuern seines adeligen Großvaters Antal Esterházy, herausgebracht hat. "Antal – Chasing the Horizon" heißt es und ist in ausgewählten Shops erhältlich.

Ein schönes Hobby als Zeitvertreib für einen jungen privilegierten Mann aus gutem Hause? Mitnichten. Das Parfum ist nur das erste Produkt der Marke Estoras, die der 35-jährige Paul-Anton Esterházy gerade aufbaut.

Estoras lautet die lateinische Bezeichnung für das ehemalige Adelsgeschlecht Esterházy. Doch mit nostalgisch verklärter Vermarktung der imperialen Geschichte Österreichs hat der Unternehmer nichts zu tun.

Paul-Anton Esterházy (35) hat den würzig-holzigen Duft "Antal – Chasing the Horizon" herausgebracht.
Foto: Heribert Corn, Estoras; Location: +43 Speakeasy Cocktail Bar, Westbahnstraße 10, 1070 Wien. www.plus43vie.com

Abenteuergeist

Mit seiner Marke will er vielmehr die Lebenslust der Roaring Twenties und den Abenteuergeist seines Großvaters heraufbeschwören, dessen Geschichte erzählen und ihm dadurch näherkommen. "Es liegt fast ein halbes Jahrhundert zwischen seinem Tod und meiner Geburt. Aber ich habe ihn trotzdem immer irgendwie vermisst", sagt Paul-Anton Esterházy. Wie Puzzlestücke setzte er Erzählungen von Verwandten, historische Dokumente und Zeitungsartikel zusammen, um sich ein besseres Bild vom faszinierenden Großvater machen zu können.

Antal Maria Pál Miklós Esterházy de Galántha wurde 1903 in Lackenbach geboren. Er war passionierter Rennfahrer, nahm in seinem Bugatti an zahlreichen Bergrennen teil. Die Leidenschaft für schnelle Autos teilte er mit Entdecker, Pilot und Automobilpionier Ladislaus Almásy. Auf dessen Figur basiert übrigens der Roman Der englische Patient. Anfang der 1920er-Jahre unternahmen die beiden Freunde eine abenteuerliche Reise nach Afrika.

Paul-Anton Esterházy erzählt, wie es dazu kam: "Die beiden saßen in den Schweizer Alpen an einem Kaminfeuer, draußen war es fürchterlich kalt. Mein Großvater fragte Almásy, wo auf der Welt es gerade wärmer sei. ‚In der Sahara‘, witzelte dieser. Da bestellten sie bei Steyr einen Wagen in den Hafen von Alexandria, und ein paar Wochen später saßen sie, kaum vorbereitet, tatsächlich in dem Auto und fuhren über Kairo bis nach Khartum. Die beiden jungen Gentlemen haben sich einfach ins Ungewisse gestürzt."

Spontaneität und den Enthusiasmus

Spontaneität und den Enthusiasmus habe er von seinem Großvater geerbt, sagt Esterházy. Auch er ließe sich von neuen Orten und Menschen begeistern. Er lebte bereits in New York und Paris. Schon als Teenager verließ er die Heimat und besuchte ein Internat in Großbritannien, wo er auch studierte. "Mein Herz schlug für die Architektur. Ich komme aus einer kunstaffinen Familie. Meine Mutter Ursula war Design-Dozentin in München, mein Onkel Fritz Koenig hat unter anderem die Skulptur kreiert, die zwischen den Zwillingstürmen des World Trade Center in New York stand."

Paul-Anton Esterházy studierte aber nicht Kunst, sondern Internationale Beziehungen und Wirtschaft in Oxford, St. Andrews und Cambridge. Denn er sollte sich später einmal um die Stiftungen der Familie kümmern.

Mit der Lancierung seines Parfums ist er nun aber doch im gestalterischen Bereich gelandet. Für den Aufbau der Marke Estoras kommt ihm auch sein Unternehmergeist und die berufliche Erfahrung im Finanzwesen zugute. Aber wie kommt ein Investmentbanker überhaupt zur Parfumkunst?

Olfaktorischer Brückenschlag

Paul-Anton Esterházy saß eines Abends mit Studienkollege Mohammed Jamal in einem Pub. Dieser entstammt einer Parfümeursfamilie und kreiert auch selbst Düfte. Esterházy zeigte seinem Kommilitonen einen alten Parfumflakon seines Opas und erzählte von dessen Abenteuer in der Sahara. "Mos Augen leuchteten auf, und er bestärkte mich, die Geschichte meines Großvaters mittels eines Parfums zu erzählen."

An den Wochenenden versuchten die beiden in einem Parfumlabor, anhand des Bodensatzes in dem Flakon, den Akkord des großväterlichen Parfums zu identifizieren. Sie wollten es aber nicht 1:1 nachbauen. Es sollte nur die Basis für einen zeitgenössischen Duft sein.

"Wir haben aber schnell bemerkt, dass wir das Projekt in unterschiedliche Richtungen entwickeln wollen und beschlossen, lieber bei einer anderen Gelegenheit zusammenzuarbeiten", sagt Paul-Anton Esterházy.

Antal Esterházy und Ladislaus "László" Almásy auf ihrem Abenteuer in der Sahara.
Foto: Heribert Corn, Estoras; Location: +43 Speakeasy Cocktail Bar, Westbahnstraße 10, 1070 Wien. www.plus43vie.com

Plötzlich war Zeit

Stattdessen hat er sich Marie LeFebvre und Alexander Urban ins Boot geholt. Die französische Parfümeurin und ihr österreichischer Mann betreiben in Berlin das Duft-Label "Urban Scents" und kreierten gemeinsam mit Esterházy "Antal – Chasing the Horizon".

Der erste olfaktorische Eindruck des Parfums, die Kopfnote, umfasst Bergamotte, Timut- und Rosa Pfeffer. In der Herznote folgen Rose, Geranie, Weihrauch und Ho-Holz. Zum Schluss entfalten sich in der Basisnote Vetiver, Patschuli, Zedernholz, Amber, Tonkabohne, Tabak, Moschus und Wildleder. Der Weg zum finalen Akkord war langwierig und aufwendig.

Anderthalb Jahre dauerte die Entwicklung des Parfums. Begonnen hat der Prozess mit Beginn der Pandemie. "Ich wollte das Projekt schon länger starten. Im Frühling 2020 war dann plötzlich Zeit dafür", erzählt Paul-Anton Esterházy, der nach wie vor als Investmentbanker tätig ist und unter anderem auch einen historischen Familiensitz in Bayern verwaltet. "Viel Schlaf bekomme ich zurzeit nicht, aber das macht mir nichts. Estoras hat eine Passion in mir entfacht."

Weitere Kreationen

Wer denkt, dass dieses Projekt bloß durch das Vermögen des ehemaligen Adelsgeschlechts umzusetzen war, liegt falsch. Paul-Anton Esterházy finanziert sich und sein Unternehmen selbst. "Es fließen keine Ressourcen in das Projekt, die ich nicht selbst erarbeitet habe", sagt er. Eine One-Man-Show ist Estoras aber trotzdem nicht. Es gebe viele Partner und Unterstützer in Österreich, Deutschland und Ungarn, so Esterházy.

Und in welche Richtung soll sich das Unternehmen entwickeln? "Wir werden uns sicher noch tiefer in die Welt der Düfte hineinarbeiten. Da gibt es genügend Aufhänger und Geschichten für weitere Parfumkreationen. Zu der Marke würden aber auch hochqualitative Reiseaccessoires gut passen. Aber das ist noch Zukunftsmusik", sagt Esterházy. Das Abenteuer geht also weiter. (Michael Steingruber, RONDO exklusiv, 15.1.2022)