Europas ältester See ist der Ohridsee zwischen Nordmazedonien und Albanien. Er gehört zum Unesco-Natur- und Kulturerbe der Region Ohrid und beherbergt zahlreiche Arten, die aber weiterhin stark bedroht sind. Einige Lachsfische dürften hier bereits ausgestorben sein.
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Die Meere haben berechtigterweise einiges an Aufmerksamkeit gewonnen: Ihre Temperatur steigt im Durchschnitt stetig an, genauso wie die Pegel und der Säuregehalt. In Meeren landet wohl auch der meiste Plastikmüll – ob in der Größenordnung makro oder mikro. Als wären dies nicht genügend Stressoren für die Organismen, die dort wohnen, belastet die Fischerei ihren Lebensraum von den großen Ozeanen bis ins Mittelmeer. Im türkischen Marmarameer, ist die gefährliche Situation überdeutlich: Durch Abwässer und Wärme begünstigt, produzieren Algen einen Schleim, der das Ökosystem unwiderruflich beschädigt hat. Hier sind Experten zufolge bereits 60 Prozent der Arten verschwunden.

Einer aktuellen wissenschaftlichen Veröffentlichung zufolge ist die Lage im Süßwasser nicht besser – im Gegenteil. In Seen, Flüssen und Feuchtgebieten schreitet der Rückgang an biologischer Vielfalt übermäßig stark voran, der Artenschwund gehe im Süßwasser sogar rascher als in den Meeren oder an Land vor sich. Im Fachblatt "Ecology Letters" machen Forschende aus 38 Ländern auf die Situation aufmerksam. Sie fordern mehr Anstrengungen zum Schutz der Bereiche sowie mehr Aufmerksamkeit und Geld für die entsprechende Forschung.

Bestandsrückgang um 84 Prozent

Zu den 95 Fachleuten zählen auch der österreichische Gewässerökologe und Generaldirektor der deutschen Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Klement Tockner, sowie Astrid Schmidt-Kloiber vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. In der Arbeit zitieren sie den aktuellen "Living Planet Report" des WWF: Demnach gingen in den vergangenen 50 Jahren die Bestände von 944 Süßwasserwirbeltierarten in 3.741 untersuchten Lebensräumen im Schnitt um 84 Prozent zurück.

Verantwortlich dafür sind beispielsweise die zunehmende Verbauung und Untergliederung von Flüssen, etwa durch Kraftwerksprojekte oder die Umweltverschmutzung. "Unter der Wasseroberfläche, vor aller Augen verborgen, schwindet die Biodiversität in Süßwasserökosystemen sowohl regional als auch global in einem noch nie dagewesenen Ausmaß", teilt Schmidt-Kloiber am Donnerstag in einer Aussendung der Boku mit.

Lücken aufzeigen

In einem internationalen Abstimmungsprozess einigte man sich daher auf einen 15 Prioritäten umfassenden Katalog, der die Bereiche Monitoring, Ökologie, Management, Sozioökologie und Dateninfrastruktur umfasst. Auf letzterem Gebiet fehle es etwa an digitalisierten Informationen, anhand derer sich zum Beispiel Schlüsse über den Einfluss des Klimawandels ziehen ließen.

Insgesamt mangle es nicht nur an Kommunikation unter den Forschenden, sondern auch in Richtung jener Personen, die in dem Bereich arbeiten und diesbezüglich wichtige Entscheidungen treffen. Nicht zuletzt sei es um die politische Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen schlecht bestellt.

Bei allen hervorgehobenen Punkten "gibt es derzeit Lücken, die wir aufzeigen und dadurch sowohl die Forschung als auch Forschungsgelder in diese Richtung lenken möchten", sagt Schmidt-Kloiber. Der dramatischen Situation stehe nämlich der Befund gegenüber, dass die Forschung in dem Bereich vergleichsweise sehr wenig Zuwendungen von öffentlichen und privaten Fördergebern erhalte, heißt es. (red, APA, 2.12.2021)