Rund 130.000 Personen sind laut Statistik Austria in Österreich im Bereich Forschung und Entwicklung tätig, knapp 43.000 davon an Hochschulen. Auf dem Weg zu einer akademischen Karriere begegnen Nachwusforschenden immer wieder Hürden und die Arbeitsbedingungen in der Forschung stehen seit Jahren in der Kritik. Warum entscheiden sich junge Menschen dennoch für diese Berufslaufbahn? Wir haben nachgefragt.

Andrea Vogel (28), Immunologie: "Es ist schwer, eine permanente Stelle zu bekommen"

Andrea Vogel ist Post-Doc am Institut für Immunologie
privat

"Geplant hatte ich eine akademische Karriere ursprünglich nicht. Vielmehr bin ich über die Jahre immer weiter in das Feld eingetaucht und habe dann gemerkt, dass die Grundlagenforschung genau das ist, womit ich mich beschäftigen möchte. Diesen Sommer habe ich mein Doktoratsstudium an der Med-Uni Wien in Immunologie abgeschlossen. Davor habe ich meinen Bachelor an der FH Campus Wien in Molekularer Biotechnologie und danach mein Masterstudium an der Vet-Med in Biomedicine and Biotechnology absolviert. Während meiner Studienzeit habe ich so unterschiedliche Bereiche der Forschung kennenlernen können.

Derzeit habe ich eine Postdoc-Stelle am Institut für Immunologie. Obwohl ich meinen Job und das Umfeld sehr schätze, habe ich auch bemerkt, wie schwer es ist, eine permanente Stelle an der Uni zu bekommen. Auslandsaufenthalte sind außerdem unumgänglich, wenn man eine akademische Karriere anstrebt. Diese Unsicherheit macht die Arbeit in der Forschung gerade als junge Frau nicht einfach, vor allem wenn man an Partnerschaft und Familienplanung denkt. Viele meiner Studienkolleginnen und -kollegen sind bereits nach dem Master in die Industrie gegangen. In der akademischen Forschung hangeln sich viele hingegen von einer befristeten Stelle zur nächsten.

Wenn ich in die Zukunft blicke, habe ich deshalb noch einige Fragezeichen über dem Kopf. Und das, obwohl ich weiß, dass ich sehr gerne weiterhin in diesem Bereich arbeiten möchte."


Alexander Krainer (30), Technische Physik: "Ich will zum Gesamtwissen der Menschheit beitragen"

Alexander Krainer schreibt gerade seine Doktorarbeit an der TU Graz
privat

"Schon seit meiner Kindheit konnte ich mich für Naturwissenschaften und Technik begeistern. Ich wollte einfach wissen, wie und warum Dinge funktionieren. Nach der Matura wollte ich ursprünglich Mathematik studieren, habe dann jedoch nach einem Vorlesungsbesuch gemerkt, dass mir das zu abstrakt ist. Nach Abwägung meiner Interessen erschien es mir viel sinnvoller, Physik zu studieren.

Während meines Bachelor- und Masterstudiums hat sich für mich gezeigt, dass ich auch später in diesem Bereich arbeiten möchte. Die Idee, durch Forschung etwas Neues zu entdecken und zum Gesamtwissen der Menschheit beizutragen, fasziniert mich und ist die treibende Kraft in meiner akademischen Karriere. Außerdem schätze ich das internationale Arbeitsumfeld in der Forschung sehr. Derzeit studiere ich Technische Physik an der TU Graz und schreibe meine Doktorarbeit im Rahmen des "Future Circular Collider"-Projekts an der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern). Das Forschungsprojekt gibt es schon seit einigen Jahren, und daran sind über hundert Forschungsinstitute weltweit beteiligt. Jährlich kommen dafür etwa zehn Doktoranden aus Österreich, Bewerbungen gibt es aber zehn- bis 50-mal so viele.

Eine künftige Jobperspektive wäre, am Cern eine Postdoc-Stelle anzutreten. Ob ich hierbleibe, zurück nach Österreich gehe oder an einen ganz anderen Ort ziehe, weiß ich derzeit zwar noch nicht. Dass ich weiterhin in der Forschung arbeiten möchte, steht für mich aber fest. Auch keine Person aus meinem Umfeld hat es je bereut, sich für diesen Weg entschieden zu haben."


Linda Prähauser (23), Ökotoxikoloie: "Oft findet man Sachen, die man nicht gesucht hat"

Linda Prähauser studiert aktuell im Master am FH Technikum
privat

"Warum ich in die Forschung möchte, ist für mich leicht zu beantworten: Seitdem ich die Naturwissenschaften studiere, bin ich immer wieder davon fasziniert, wie viel wir als Menschen gemeinsam schon erforscht, belegt und hinterfragt haben. Aktuell studiere ich Ökotoxikologie und Umweltmanagement im Master an der FH Technikum Wien.

Zuvor habe ich meinen Bachelor in Biotechnologie gemacht. Seit September arbeite ich an einem Forschungsprojekt meiner Fachhochschule mit, in dem wir uns kurz gesagt mit den Auswirkungen von Mikroplastik auf die Umwelt beschäftigen. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts möchte ich auch im Frühjahr meine Masterarbeit schreiben.

Konkrete Pläne für die Zeit nach meinem Abschluss habe ich noch nicht. Im Vergleich zu anderen Bereichen ist die Ökotoxikologie zwar noch sehr jung, sie gewinnt aber stetig an Bedeutung. Neben der Faszination für das Erforschte motiviert es mich deshalb, dass es noch so viele weitere Abläufe, Substanzen und Mechanismen gibt, die wir bis heute nicht vollkommen verstehen.

Auch wenn die Forschung wirklich kein einfaches Feld ist – denn oft findet man Sachen, die man gar nicht gesucht hat; oder, verbringt, ganz im Gegenteil, Jahre oder gar Jahrzehnte ohne relevante und signifikante Ergebnisse. Doch genau wegen dieses Spannungsfelds könnte ich mir nach meinem Studium keinen schöneren Job als in der Forschung oder der Lehre vorstellen."


Axinya Tokareva (26), Computational Science: "Zur Unsicherheit kommt noch der Leistungsdruck hinzu"

Axinya Tokareva will nach dem Master ein Doktorat machen
privat

"Vor mehr als sechs Jahren bin ich aus der südlichen Kleinstadt Kaskelen in Kasachstan nach Wien gekommen, um – wie ich es nenne – "die Gipfel zu erobern". Ich habe bereits meinen Informatik-Bachelor mit der Spezialisierung Scientific Computing an der Uni Wien absolviert und studiere aktuell Computational Science mit Schwerpunkt Astrophysics. Seit Oktober arbeite ich nebenbei in einer pharmazeutischen Forschungsgruppe an der Entwicklung und Anwendung innovativer Computermethoden.

Nach meinem Masterabschluss im nächsten Semester plane ich, im Bereich der Bewohnbarkeit von Exoplaneten zu promovieren und meine Forschungskarriere hier fortzusetzen. Fragestellungen rund um diese Thematik faszinieren mich sehr. In der Privatwirtschaft sind Personen mit Kenntnissen in Informatik und Data-Science sehr gefragt. In der Forschung und vor allem in der Astrophysik ist es natürlich schon schwieriger, eine gute Stelle zu bekommen. Zu der Unsicherheit kommt außerdem noch der Leistungsdruck hinzu. Die Finanzierung ist immer an die Veröffentlichung wissenschaftlicher Papers und Ergebnisse geknüpft. Langfristige und qualitative Forschungsprojekte umzusetzen kann dann schon problematisch werden. Darüber mache ich mir schon oft Gedanken, vor allem weil ich auch in Zukunft in Wien bleiben und die Staatsbürgerschaft beantragen möchte.

Neben meiner Begeisterung für die Forschung spornt es mich außerdem an, gemeinsam mit anderen Frauen in diesem noch sehr männlich dominiertem Bereich tätig zu sein und dadurch für manche auch ein Vorbild sein zu können." (Anika Dang, 13.12.2021)