Und wieder ist ein Lockdown, zumindest in weiten Teilen, vorbei. Die heimische Wirtschaft erweist sich trotz der dreiwöchigen Schließung als vergleichsweise robust. "Eine ruppige Fahrt in die Normalität", nennt die derzeitige konjunkturelle Lage der Chefökonom der Unicredit Bank Austria Stefan Bruckbauer. Vorerst hinterlässt das Herunterfahren nur eine kleine Wachstumsdelle von einem Prozent zum Vorquartal. Für das kommende Jahr rechnen die Ökonomen der Bank für Österreich mit einem Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent, nach einem Plus von fünf Prozent im auslaufenden Jahr.

Arbeitsmarkt relativ stabil

Auch der Arbeitsmarkt erweise sich grosso modo als stabil. Ein Befund, den auch Martin Kocher (ÖVP) teilt. Die Effekte aus der Schließung seien geringer als gedacht, referiert der Arbeitsminister anlässlich der Präsentation der Arbeitsmarktdaten. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 372.109 Menschen ohne Job (inklusive 71.988 Personen in AMS-Schulungen) derzeit weit unter dem Niveau des Vorjahresdezembers. Damals waren über 520.000 Menschen arbeitslos.

Auch im Vergleich zum Boomjahr 2019 vor der Pandemie habe sich die Zahl um gut 2700 Betroffene nur leicht erhöht. Geringer als erwartet ist derzeit auch die Inanspruchnahme der Kurzarbeit mit 108.802 Voranmeldungen (90.500 in der Vorwoche). Zur Erinnerung: Ende 2020 waren 400.000 Menschen in Kurzarbeit. Kocher erwartet, dass die Zahlen in den kommenden Wochen aufgrund rückwirkender Anträge noch steigen: Bis zum Ende dieser Woche können Unternehmen Kurzarbeit rückwirkend bis zum Start des Lockdowns anmelden.

Auf, zu, auf, zu: Auch Betriebe stellen sich besser darauf ein – und schicken ihre Mitarbeiter nicht mehr so rasch zum AMS.
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Alles in allem haben Betriebe und Konsumenten offenbar gelernt, mit Schließungen umzugehen. Das sehen die meisten Experten so. Auch Kocher nennt dafür Belege. Es habe rasch Anzeichen für ein Ende des Lockdowns gegeben, das hätte sich für die Erwartungshaltung aller als wichtig erwiesen. Davon abgesehen sei man mit viel besseren Zahlen in den Lockdown gestartet, also mit einer sehr hohen Zahl an offenen Stellen im Handel, am Bau und in der Produktion.

Wirtschaft und Konsumenten hätten sich darauf eingestellt, viele hätten ihre Einkäufe zum Beispiel via Click and Collect erledigt. Probleme hatten hingegen Dienstleister, die keine Alternative zur direkten Arbeit am Kunden haben. Man sei " gut durchgekommen", so der Arbeitsminister, der auch die Zahl der offenen Stellen hervorhebt. Sie zeuge von einer wenig gebremsten Dynamik am Arbeitsmarkt.

Reform der Arbeitslosenversicherung

Weitergekommen sei man auch in der Diskussion um die Reform der Arbeitslosenversicherung, wenn sich auch die Vorlage des Gesamtpakets verzögern dürfte. Ursprünglich für das erste Quartal angedacht, geht Kocher nun davon aus, dass sich der Zeitplan auf das zweite Quartal 2022 verschieben könnte.

Was sich abzeichnet, sind vieldiskutierte Punkte: degressives Arbeitslosengeld, Drehen an der Zuverdienstgrenze und Anpassung von Sanktionsmöglichkeiten. "Es deutet vieles in Richtung einer degressiven Gestaltung des Arbeitslosengeldes, bei der Arbeitssuchenden am Anfang mehr zur Verfügung steht", sagt Kocher. Wie genau die Stufen aussehen, sei noch Teil der Diskussion. Was die Sanktionsmöglichkeiten betrifft, so gelte es, "weniger stark, aber direkter zu reagieren, wenn Leute einen zumutbaren Job nicht annehmen".

Körpernahe Dienstleister und Tourismus treffen die Schließungen härter als andere Branchen.
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Langzeitarbeitslose gelte es eher zu unterstützen. Differenziert will der Arbeitsminister auch bei der Zuverdienstgrenze vorgehen. Bei Menschen mit guten Chancen am Arbeitsmarkt hemme ein Zuverdienst den Wiedereinstieg, bei Menschen mit Problemen bei der Rückkehr in einen Job sei es ein Beitrag zur Einkommenssicherung, um nicht in Armut abzurutschen und den Fuß in der Tür zu behalten. Vermittlungshemmnisse wie Alter und Gesundheitseinschränkungen müssten in die Diskussion einbezogen werden.

Insolvenzentgeltfonds

Die jüngst angekündigte Halbierung der Arbeitgeberbeiträge zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds, die GPA-Chefin Barbara Teiber als "Angriff auf Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen" und Klientelpolitik der ÖVP harsch kritisiert, verteidigt Kocher. Dank relativ guter Lage am Arbeitsmarkt seien die Rücklagen im Fonds über 800 Millionen Euro hoch, laut Gesetz müsse das Ministerium eine Anpassung der Beiträge prüfen. Für die nächsten Jahre habe man auch für große Insolvenzen einen Polster, außerdem könne man den Betrag bei Bedarf wieder erhöhen. Und schließlich müsse man für die Rücklagen auch Negativzinsen zahlen. (Regina Bruckner, 15.12.2021)