Es ist zum Heulen. Kaum scheint das berühmte Licht am Ende des Tunnels aufzublitzen, wird es eine Biegung später schon wieder finster. In die Erleichterung über sinkende Infektionszahlen platzen die düsteren Warnungen vor Omikron.

Das bringt die Politik in die Zwickmühle. Einerseits ist seit der Delta-Variante bekannt, dass ansteckendere Mutationen schwere Rückschläge im Kampf gegen die Pandemie auslösen können – und die Regierung will sich kein weiteres Mal Zaudern vorwerfen lassen. Anderseits sind die Folgen von Omikron noch nicht klar abschätzbar; so gibt es etwa Hinweise auf mildere Verläufe. Auch überzogene Maßnahmen können schweren Schaden anrichten – von der Wirtschaft bis zur Psyche der Bürger.

Im ersten Reflex schlug sich der Gesundheitsminister auf die restriktive Seite. Seither hängt besonders über Familien ein Damoklesschwert. Wird ein Kind positiv auf Omikron getestet, drohen auch allen Klassen- und Kindergartenkameraden triste Weihnachtsferien.

Die Quarantänemaßnahmen werden wegen Omikron verschärft.
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Grund sind die verschärften Regeln. Wer mit einem Omikron-Fall Kontakt hatte, muss für 14 Tage in Quarantäne, das Freitesten ist abgeschafft. Wien jagte Eltern noch einen Extraschrecken ein. Während der Absonderung, ist in einer Direktive an die Schulen zu lesen, "müssen" alle Haushaltsmitglieder im Alter von über fünf Jahren obendrein Maske tragen.

Das galt im Quarantänefall an sich schon bisher: Das Sozialministerium hat die Regel zwar nicht direkt in der neuesten Vorgabe, jedoch in bereits länger bestehenden Verhaltenskatalogen verewigt. So oder so bleibt das Gebot weltfremd. Die allermeisten Eltern werden – sofern nicht wissentlich infiziert – gerade kleinen Kindern kaum permanent mit Stofffetzen ins Gesicht schauen. Kontrolle ist ohnehin unmöglich.

Traumatische Erfahrungen

Was all das für Familien bedeuten kann, sollte man sich bildlich vorstellen. Schneeflocken tanzen vor der Fensterscheibe, das Kind ist pumperlg’sund, darf aber keinen Schritt vor die Tür setzen – und unterm Christbaum lächeln alle mit Maske. Man muss kein Psychologe sein, um da traumatische Erfahrungen zu befürchten.

Bevor die Politik en passant eine derart drakonische Maßnahme verhängt, gehören Alternativen geprüft. Es gibt nicht nur Stimmen wie jene des Rotkreuz-Kommandanten Gerry Foitik, der präventiv ein strenges Regime bis hin zu automatischen Lockdowns ab einem gewissen Infektionsniveau fordert. Der Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter hält die 14 Tage ohne Wenn und Aber ebenso für "übers Ziel hinaus geschossen" wie die Ärztekammer, die Erleichterung für Geimpfte fordert: Schließlich dürfte der dritte Stich auch gegen Omikron gut schützen. In Großbritannien bleibt voll geimpften Kontaktpersonen und allen unter 18 die Quarantäne deshalb erspart. Dafür ist ein täglicher Covid-Test Pflicht.

Natürlich: Zwei Wochen Quarantäne bieten mehr Sicherheit als zehn Tage – aber noch sicherer wären vier Wochen. Im Kampf gegen die Pandemie geht es stets um Abwägung. Omikron wird sich ohnehin durchsetzen – da stellt sich die Frage, wie schwere Kollateralschäden zu rechtfertigen sind, umso mehr. Dabei steht nicht nur die seelische Gesundheit auf der Kippe, sondern – wie Hutter hinweist – auch das politisch-gesellschaftliche Klima. Die Angst vor einem Weihnachtshorror droht selbst Wohlmeinende, die bisher alles mitgetragen haben, gegen die Corona-Politik aufzubringen. (Gerald John, 15.12.2021)