Polens erstes Atomkraftwerk wird ab 2026 in der Nähe der 1.300-Einwohner-Gemeinde Choczewo (Woiwodschaft Pommern) gebaut. Die Lage der Baustelle an der Ostsee ermöglicht, Baumaterialien und technische Ausrüstung per Schiff anzuliefern. Die Anlage mit mehr als einem Gigawatt Leistung soll frühestens 2033 ans Netz gehen. Bisher liegt ein Angebot des französischen Energiekonzerns EDF vor, die USA und Südkorea wollen heuer ihre Vorschläge präsentieren.
Dann soll alle zwei bis drei Jahre ein neues Kernkraftwerk den Betrieb aufnehmen, bis 2043 sollen es sechs werden. Die Atomreaktoren ersetzen Polens Kohlekraftwerke, um die Klimaziele zu erreichen. Außerdem sind ein Zwischenlager für verbrauchte Brennstäbe und ein unterirdisches Endlager geplant, deren Standorte aber noch nicht feststehen.
Keine Kühltürme benötigt
Die Standortsuche hatte sich zuletzt auf zwei Orte im Norden des Landes konzentriert. Im Gegensatz zum nun offenbar abgelehnten Gelände bei Żarnowiec, auf dem sich die Ruinen einer Atomkraftwerksbaustelle aus der Kommunistenzeit befindet, liegt der ausgewählte Bauplatz direkt am Meer und soll dadurch ohne Kühltürme auskommen, weil Kühlwasser aus dem Meer entnommen wird und wieder dorthin zurückfließt.
Bisher nutzen vor allem wärmere Länder die Salzwasserkühlung, in Europa müssen im Sommer regelmäßig Kernkraftwerke gedrosselt werden, um die Flüsse, in die sie ihr Kühlwasser ablassen, nicht zu überhitzen.
Bürgermeister hoffnungsvoll
Choczewos Bürgermeister Wiesław Gębka sagte dem Fernsehsender TVN, dass er sich von dem Großprojekt erwarte, dass seine Gemeinde "hässlich, aber reich" werde. Laut Regierungsangaben liegt die Zustimmung zu Polens Atomprogramm bei 74 Prozent, das unabhängige Meinungsforschungsinstitut PBS hat im Oktober erfragt, dass 63 Prozent der Bewohner der betroffenen Gemeinden dafür sind, dass in ihrer Region ein Atomkraftwerk errichtet wird.
In Choczewo regt sich allerdings bereits Widerstand: Das TVN-Fernsehteam, das vor Weihnachten die Gemeinde besuchte, fand keinen einzigen Kraftwerksbefürworter, und die örtliche NGO "Nie dla Atomu w Lubiatowie " ("Nein zum Atom in Lubiatów") organisiert Proteste gegen das Projekt. (Bert Eder, 29.12.2021)