Der Wirtschaftsanwalt Robin Lumsden tritt für eine Impfprämie ein. Im Gastkommentar erklärt er, warum diese positive Motivation zur Corona-Impfung eine einzigartige Win-win-Situation wäre.

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Geld könnte ein positiver Motivator sein, sich impfen zu lassen.
Foto: Getty Images

Ein einfacher Plan mit vielfach positiver Wirkung: Durch eine gezielte Geldzahlung in der Höhe von 300 Euro an alle dreifach Geimpften könnte man die Impfbereitschaft mit positiven Anreizen signifikant erhöhen, gezielt die österreichische Wirtschaft unterstützen, zusätzliche Steuereinnahmen lukrieren, sowohl allfällige weitere Lockdown-Kosten als auch aktuelle Kampagnenkosten massiv reduzieren und so mittel- bis langfristige Wirtschaftsvorteile realisieren.

Ziel ist es, ein Dilemma zu beenden: die zu geringe Impfquote und die dadurch drohenden hohen Kosten eines weiteren Lockdowns einerseits und eine potenziell problematische Entwicklung der gesellschaftlichen Polarisierung zwischen Geimpften und Ungeimpften im Zuge einer Impfpflicht andererseits. Wie erreichen wir jenen Teil der Bevölkerung, der nur zögert und nicht ideologisch verbohrt ist, der nicht in jene Kategorie fällt, von der die Psychiaterin Adelheid Kastner im STANDARD meint, man müsse "nicht jede Meinung wertschätzen".

Positive Motivation

Nach einem kurzen, kräftigen Anstieg der Durchimpfungsrate nach Ankündigung der 2G-Regel haben sich die Erstimpfungen wieder abgeflacht. Während zunehmend mit Brachialrethorik versucht wird, die Menschen zum Impfen zu bewegen, lässt man Aspekte der positiven Motivation außer Acht. Das erinnert an unser Bildungssystem, welches primär Negatives sanktioniert und nicht Positives belohnt. Auch in Österreich scheint durch die starke Politisierung dieser Debatte der Blick auf Fakten immer mehr in den Hintergrund zu geraten. Die Devise sollte aber lauten: Raus mit der Emotion, her mit rationalen, ökonomischen Argumenten!

Die aktuelle Corona-Politik Österreichs, ein Wechselbad aus nahezu täglich zeitgleich angekündigten Schließungen und Öffnungen, scheint oft kaum faktenbasiert und dadurch angreifbar. Daher habe ich mit Ökonomen und Professoren der Stanford University ein wissenschaftliches Positionspapier verfasst, welches für Österreich ein positives Impfanreizmodell skizziert.

Allen wird gegeben

Monetäre Impfanreize sind ein Booster für Impfquote und Wirtschaft. Verschiedene länderübergreifende, ideologiefreie Studien belegen eindeutig, dass man durch monetäre Anreize die Impfquote steigern kann. Menschen, die sich nicht impfen lassen, sind nicht zwingend radikale Impfgegner, sondern wurden oftmals einfach noch nicht entsprechend "abgeholt" und könnten durch die Aussicht auf eine Einmalzahlung zu einer freiwilligen Entscheidung motiviert werden.

Neben der Erhöhung der Impfbereitschaft würde auch der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirkt, da niemandem etwas weggenommen wird (etwa die angebliche "Freiheit"), sondern allen etwas gegeben wird (neben der Möglichkeit eines sanfteren Krankheitsverlaufs eben auch Geld). Natürlich würden alle bereits Geimpften von einem solchen verspäteten Weihnachtsgeschenk auch profitieren, die Daten dazu sind ja – wohl auch in Vorbereitung der angekündigten Impfpflicht – vorhanden.

Und die Kosten?

Solch eine Maßnahme hätte auch gesamtwirtschaftliche Vorteile: Eine verhältnismäßig kleine Summe (zum Beispiel 300 Euro pro Person) fließt unmittelbar in den Konsum und wäre somit Helikoptergeld mit einem (quantitativ nachweisbaren) gesundheitspolitischen Effekt. Solche Experimente waren zwar in den letzten Jahrzehnten verpönt, sind aber grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Selbst US-Präsident Donald Trump, dem man normalerweise keine keynesianische Wirtschaftspolitik zuschreiben kann, hatte 2020 mit einem Einmalscheck Geld an alle US-Bürger verteilt, damals natürlich noch ohne damit verbundenen Impfanreiz.

Sind die Kosten eines solchen Modells zu hoch? Nein, eine Belohnung in Höhe von rund 300 Euro pro Dreifachimpfung würde insgesamt knapp 2,5 Milliarden Euro kosten – das unter der Annahme, dass sich wirklich alle Österreicher impfen lassen. Das würde "lediglich" den Kosten von knapp zwei Wochen Lockdown entsprechen, wahrscheinlich deutlich weniger, als uns noch bevorstehen könnte.

Eine Prepaidkarte

Konkret gibt es für eine solche Zahlung mehrere Umsetzungsmöglichkeiten mit internationalen Referenzen. Eine Direktüberweisung an alle Geimpften oder – wesentlich intelligenter – ein Instrument ähnlich einer "Österreich-Card": eine Prepaidkarte, die bei teilnehmenden Betrieben eingelöst werden kann. In dieser Variante hätte der Staat zusätzlich eine Lenkungshoheit, wofür die Impfprämie ausgegeben wird. Gleichzeitig fließt natürlich über Steuern Geld sofort wieder direkt an den Staat zurück.

Bislang hatte der Staat Milliarden an Hilfsgeldern zur Verfügung gestellt, und das war auch gut so. Es wurde aber noch nie flächendeckend versucht, Pandemiebekämpfungsmaßnahmen mit finanziellen Anreizen zu kombinieren. Dadurch könnte man eventuell andere Unterstützungsmaßnahmen ersetzen und weitere Lockdowns durch die gestiegene Impfquote zumindest reduzieren. Freilich: Dieser Ansatz wird eine globale Pandemie nicht beenden können – der internationale Vergleich zeigt, dass auch Staaten mit hoher Impfquote wieder in Lockdowns enden können, allerdings in weit "sanfteren". Aber ein solches Programm würde ein guter Weg sein, zwei Ziele gleichzeitig zu erreichen: die Pandemie mit höheren Impfraten zu bekämpfen und die Wirtschaft vor größeren Schäden zu bewahren. (Robin Lumsden, 31.12.2021)