Angesichts der alarmierenden Nachrichten über die Ukraine ist es verständlich, dass sich die Medien mit den internationalen Aktivitäten des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán kaum beschäftigen. In diesen Rahmen fügt sich die offizielle Mitteilung, dass Orbán am 10. Jänner in einem Telefongespräch dem bedrängten kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew seine Solidarität ausgedrückt hat.

Als einziger Ministerpräsident eines EU- und Nato-Staates beeilte sich Orbán nach der militärischen Hilfe durch Russland, dem bedrohten Autokraten Hilfe anzubieten.

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Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán erweist als nützlicher Partner für Moskau bei der Untergrabung westlicher Positionen.
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Ein vielversprechender Auftakt zu seinem Treffen am 1. Februar mit Präsident Wladimir Putin in Moskau. Dass Orbáns Ungarn der engste Verbündete Putins im Westen ist, unterstrich auch vor einigen Tagen die Überreichung des "Freundschaftsordens", der höchsten russischen Auszeichnung für Ausländer durch Außenminister Sergej Lawrow an den ungarischen Außenminister Péter Szijjártó. Kein Wunder, dass dieser das letzte Jahr als das "positivste aller Zeiten in der ungarisch-russischen Zusammenarbeit" bezeichnet hat.

Auch in der Balkanpolitik erweist sich Orbán als nützlicher Partner für Moskau bei der Untergrabung westlicher Positionen. Der von ihm nach Brüssel entsandte Diplomat Olivér Várhelyi bekam durch die Fehlentscheidung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Schlüsselposition als EU-Erweiterungskommissar. So kann er dem russlandfreundlichen serbischen Nationalistenführer Milorad Dodik in Bosnien beim Ausbau der Republika Srpska ebenso helfen wie den oppositionellen Rechtsnationalisten in Mazedonien.

Intrigen

Der wegen Korruption zu zwei Jahren Haft verurteilte Ex-Regierungschef Nikola Gruevski genießt seit 2018 als "Luxusflüchtling" in Budapest den besonderen Schutz seines Freundes Orbán, der auch mit Dodik enge persönliche Kontakte pflegt. Bei einem Besuch in Banja Luka im November kündigte Orbán einen 100-Millionen-Euro-Kredit für die Republika Srpska an und löste mit seinen Bemerkungen über die "schwierige Integration" der Moslems nicht nur in Bosnien Proteste aus. Er hatte seinen Besuch in Sarajevo, der Hauptstadt der Föderation, wohl angesichts der Missstimmung kurzfristig abgesagt. Wegen seiner schädlichen Intrigen haben zahlreiche EU-Parlamentarier bereits eine Untersuchung gegen den ungarischen Kommissar gefordert.

Die Abkehr vom Westen und seinen rechtlichen und moralischen Normen sei Teil einer fatalen Systemwende. Der Herrscher und sein politisch-wirtschaftlicher Clan hätten in zwölf Jahren durch den Aufbau einer kriminellen Autokratie eine historische Chance verspielt und die Nation in eine Sackgasse geführt. Das schrieb der angesehene ungarische Ökonom und Autor László Lengyel in einem fulminanten Aufruf für einen Systemwechsel.

Nach dem "Serienraub des Landes" und mit einem 40-prozentigen Absturz des Forint-Kurses seit 2010 versucht das Orbán-Regime mit einem Preisstopp bei Grundnahrungsmitteln, Steuersenkungen, Renten- und Lohnerhöhungen die Wahlen am 3. April zu gewinnen. Die massive Geldverschwendung bedeutet aber laut Ex-Nationalbankpräsident György Surányi nur, dass "das Feuer mit Benzin begossen wird". (Paul Lendvai, 25.1.2022)