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Ein Chihuahua (Idealgewicht 1,5 bis 3 kg) thront auf dem Rücken einer Deutschen Dogge (90 kg). Eine einzige kleine DNA-Variante, die auch schon beim Wolf vorkommt, kann einen Teil des Unterschieds erklären.

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Eine solche Vielfalt an Erscheinungsformen gibt es bei keiner anderen Tierart: Bestimmte Hunderassen wie die Deutsche Dogge werden über 80 Zentimeter groß, bei anderen wie den Chihuahuas beträgt die Größe gerade einmal ein Viertel oder ein Fünftel davon. Beim Gewicht unterscheiden sich die beiden Rassen um das Vierzigfache.

Wie erklären sich diese enormen Differenzen? Die Antwort auf diese Frage scheint einfach: natürlich durch die Zucht des Menschen, der durch gezielte Eingriffe bei den Kreuzungen für die enorme Diversität bei den Hunderassen sorgte.

Genetische Erklärungen

Doch was steckt genetisch hinter diesen enormen Unterschieden bei Größe und Gewicht? Wie ein Team um die US-Genetikerin Elaine Ostrander (National Human Genome Research Institute in Bethesda) bereits im Jahr 2007 herausfand, spielt eine Region rund um das IGF-1-Gen (insulinähnlicher Wachstumsfaktor) eine entscheidende Rolle. Laut den damaligen Analysen ist sie für immerhin 15 Prozent der Größenunterschiede verantwortlich.

Das klingt nach wenig, ist aber im Vergleich zum Menschen extrem viel. Bei uns gibt es nämlich sehr viel geringere Unterschiede bei der Körpergröße; daran sind aber tausende verschiedene Gene mit einem jeweiligen Anteil im Promillebereich beteiligt.

Die 15 Jahre alte Studie im Fachblatt "Science" ließ aber zwei große Fragen offen. Erstens kannte man damals noch nicht die exakten genetischen Varianten in der Region um IGF-1, die sich auf die Größe auswirken. Und zweitens war zu klären, seit wann diese genetischen Varianten existieren. Waren sie schon bei der Domestikation der Hunde, die vor rund 30.000 Jahren begann, ins Genom der Hunde "hineingezüchtet" worden?

1.400 Genomanalysen

Eine neue Publikation von Ostranders Team und Erstautor Jocelyn Plassais (Uni Rennes) im Fachblatt "Current Biology" liefert nun Antworten. Dafür mussten die Forschenden allerdings erst einmal die Genome von mehr als 1400 Caniden analysieren, darunter 230 moderne Hunderassen, prähistorische Hunde, Kojoten und Wölfe.

Wie die Vergleiche ergaben, ging es um einen spezifischen DNA-Abschnitt, der für die Kontrolle der Menge des IGF-1-Proteins sorgt und von dem es zwei Varianten (oder Allele) namens C und T gibt. Drei Viertel der Hunde mit zwei Kopien des C-Allels waren kleine Rassen (wie Chihuahuas oder Möpse) mit einem Gewicht von weniger als 15 Kilogramm. Umgekehrt waren drei Viertel der Hunde mit zwei Kopien der T-Variante große Rassen (wie Deutsche Doggen) mit einem Durchschnittsgewicht von mehr als 25 Kilogramm. Mittelgroße Hunde haben zumeist ein C und ein T.

Die Antwort auf die zweite Frage ist fast noch spannender: Denn wie sich zeigte, waren beide Varianten bereits im Genom eines Wolfs vorhanden, der vor 53.000 Jahren lebte. Bei anderen Caniden, darunter Kojoten, Schakale und Füchse, fand das Team jedoch nur C-Varianten. All dies deutet darauf hin, dass die C-Variante zuerst auftrat und die T-Variante sich erst vor relativ kurzer Zeit bei den arktischen Wölfen entwickelte – möglicherweise, um ihnen zu helfen, an Masse zuzulegen und in ihrer schwierigen eiszeitlichen Umgebung zu überleben.

Die C-Variante als "Joker"

Aber warum blieb bei ihnen und den Hunden dann die C-Variante für Kleinwuchs erhalten? Ostrander vermutet, dass es daran liegt, dass diese Wölfe sich manchmal an veränderte Umweltbedingungen wie etwa wärmere Temperaturen und kleinere Beutetiere anpassen mussten, die große Körper unvorteilhaft machten. Die C-Variante ist also quasi der evolutionäre Joker, der unter bestimmten Bedingungen zum Einsatz kam und der vom Menschen genützt wurde, um kleinere Hunderassen zu züchten.

Die Forschenden weisen auch darauf hin, dass die Geschichte der Hundegröße noch lange nicht abgeschlossen ist. Denn die nun beschriebene Variante ist nicht der einzige Faktor, der die Größe von Hunden bestimmt. Wie geschrieben: Das IGF-1-Gen selbst ist für etwa 15 Prozent der Unterschiede zwischen den Rassen verantwortlich. Ostranders Team hat nämlich bereits zwei Dutzend weitere Gene entdeckt, die mit zur Hundegröße beitragen. (Klaus Taschwer, 1.2.2022)