"Destiny" ist einer der erfolgreichsten Marken im Bereich Games-as-a-Service, also der über Jahre laufenden Betreuung und Servicierung der Marke durch die Entwickler.

Foto: Bungie

Der Kauf des Spieleentwicklers Bungie durch Sony wurde in den vergangenen Tagen oft mit dem Rekorddeal zwischen Microsoft und Activision Blizzard verglichen. Während allerdings die weltweite Presse der Akquisition der World of Warcraft-Mutter ein großes Forum bot, interessierte sich kaum jemand außerhalb der Gaming-Branche für den Kauf eines einzelnen Studios. Dabei könnte die Übernahme weitreichende Folgen haben – Sonys letzte wichtige Lücke schließen und so den US-Konzern und Xbox-Hersteller Microsoft weiter erfolgreich auf Distanz halten.

Große Welten schaffen

"Es geht darum, große und wunderbare Welten gemeinsam zu bauen" sagte Sony-Playstation-CEO Jim Ryan in einem Interview mit dem US-Medium "Gameindustry" passend zum Kauf des ehemaligen Halo-Entwicklers Bungie, dessen Übernahme man am Montag offiziell verkündet hatte. Für 3,6 Milliarden Dollar wird Bungie Teil der Sony-Playstation-Familie und damit auch deren derzeitiges Spiel Destiny 2, das seit August 2017 eine große und treue Fanbase aufbauen konnte. Im Gegensatz zu vielen Befürchtungen wird das Spiel und mögliche Fortsetzungen nicht Playstation-exklusiv, betonte Ryan. Aber warum zahlt Sony dann 3,6 Milliarden Dollar, wenn man Bungie-Spiele auch künftig auf PC oder anderen Konsolen spielen können wird?

Sony hat starke Marken, vor allem für storybegeisterte Spieler: God of War, Uncharted, Horizon oder auch The Last of Us. Nur dieses eine, über viele Plattformen laufende Service-Game, das über Jahre Geld durch Ingame-Käufe und zusätzliche Spielinhalte verdient – das hat man noch nicht. Auch deshalb war man in den vergangenen Jahren sehr darum bemüht, die starken Service-Shooter dieser Welt an sich zu binden. Konsolen-Bundles mit Call of Duty, Fortnite-Kooperationen und auch gemeinsame Marketing-Aktivitäten mit Destiny sollten zeigen, dass man dieses Genre nicht Microsoft überlassen wollte. Man ging sogar so weit, in die Fornite-Mutter Epic 450 Millionen Dollar zu investieren, um sich drei Prozent des Entwicklers und damit noch mehr Nähe zu der erfolgreichen Brand zu sichern. Mit Bungie geht man jetzt noch einen Schritt weiter und schließt diese bisher vorhandene Lücke der fehlenden Service-Games im eigenen Portfolio.

Was bedeuten Service-Games und Microtransaktionen heute für den Umsatz in der Gaming-Branche? 2006 konnte man im Spiel The Elder Scrolls: Oblivion für rund zwei Euro eine Schutzrüstung für das eigene Pferd kaufen. Zunächst noch von den Spielern verpönt, entdeckt die Gaming-Industrie ihr neues Zugpferd nach und nach und wird bei seiner Interpretation immer kreativer. Plötzlich kann man in vielen Spielen Autos oder Waffen für Echtgeld kaufen – spielerische Vorteile inklusive. Danach folgen Spielerweiterungen, die neue Levels oder Aufgaben boten– so verlängert man die Lebenszeit eines Spiels und konnte den bestehenden Kundenstamm noch einmal zur Kasse bitten. Auch immer beliebter wurden Saisonpässe, die für einen bestimmten Zeitraum, meist ein paar Monate, neue Inhalte und kleinere Boni beinhalteten. Diese Pässe kosten natürlich ein paar Euro und finden sich heute in allen großen Multiplayer-Spielen, vor allem in Shootern.

Wie groß der Anteil dieser zahlreichen Transaktionen an der Gesamtbranche ist, lässt sich aufgrund der verschiedenen Modelle nur ungenau sagen. Dennoch kann man einige Zahlen nennen, die das Potenzial dieser Monetarisierung aufzeigen sollen. So macht das kostenlose Fortnite pro Jahr etwa vier bis fünf Milliarden Dollar Umsatz mit kosmetischen Gegenständen, wie man dank des Rechtsstreits mit Apple aus internen Dokumenten herauslesen durfte. Das Vollpreis-Spiel FIFA erzielte 2021 etwa 1,6 Milliarden Umsatz dank des Spielmodus Ultimate Team, bei dem man Sammelkarten digital erwerben kann. Im November 2020 erkämpfte sich Bungie mit einer neuen Destiny 2-Erweiterung den Titel des lukrativsten Spiel in den Epic Charts – eine für PC-Spiele nicht unwesentliche Plattform. Zahlen wurden allerdings nicht genannt, dennoch zeigt es, dass Bungie hier ebenfalls mit der großen Konkurrenz gut mitspielen kann.

"Fortnite" zeigt vor, wie es geht. Kooperationen mit starken Marken oder auch Live-Events sorgen für eine dankbare und laufend zahlende Community.
Foto: Epic

Diesen erfolgreichen Service-Gedanken seines neuen Studios will Sony künftig nutzen, um an der eigenen Gewinnmaximierung zu arbeiten. Starke Franchises hat das Unternehmen genug, und selbst wenn es Marken wie Horizon oder God of War nicht in dieses Modell einbauen will, bleibt ein umfangreicher Katalog, der von dieser jüngsten Kooperation befruchtet werden könnte.

Losgehen könnte alles mit einem bereits in Entwicklung befindlichen Spiel: Matter. Dazu passende Job-Inserate sprachen vor ein paar Wochen von einem neuen "Multiplayer-Action-Titel" mit "unterschiedlichen Charakteren". Offenbar arbeitet Bungie schon länger an einem Konkurrenten zu den bestehenden Größen in diesem Feld – Overwatch von Entwickler Blizzard, die jetzt Microsoft gehört, und Valorant vom Entwicklerstudio Riot Games, das unter der Flagge des zweitgrößten Gaming-Riesen reiten darf: des chinesischen Tech-Konzerns Tencent.

Bungie hat mehrfach bewiesen, mit seinen Spielen neue Grenzen austesten zu wollen – eine sehr gute Spielbarkeit war zudem immer sein Markenzeichen. Matter und die damit verbundenen Möglichkeiten könnten der Hauptgrund sein, warum Sony sich letztlich für den Kauf des Entwicklers entschieden hat.

Reizwort Metaverse

Derzeit inflationär benutzt ist der Begriff Metaverse, der auch zu so manchem Gaming-Universum bereits passt. In Fortnite finden schon jetzt regelmäßig Konzerte und andere Live-Events statt, und auch Kooperationen mit bekannten Film- oder Spiele-Marken werden wöchentlich gefeiert. Hier könnte Sony mit der Service-Strategie seinen eigenen Weg gehen – ein eigenes Entertainment-Universum hätte man im Hintergrund, das man in neue Service-Games einfließen lassen könnte.

Auch die neue Offenheit anderen Plattformen gegenüber hilft sicher, die Sony-Strategie weiterzuführen. Verweigerte man sich früher etwa gegenüber der Crossplay-Idee, also dem gemeinsamen Spielen einer Marke über mehrere Plattformen hinweg, zeigte man sich zuletzt offener gegenüber PC-Portierungen. Dazu passt auch die neue Playstation-Funktionalität in Discord – ein Tool, das vor allem von PC-Spielern stark genutzt wird.

Sony hat schon bei Fortnite und Call of Duty begriffen, dass man nicht unbedingt Exklusivität benötigt, um viel Umsatz mit einem Spiel machen zu können. Diese Philosophie könnte Sony mit kommenden Bungie-Marken weiterführen. Finanziell abgesichert ist der Konzern für Experimente. Die aktuellen Quartalsergebnisse zeigen einen Gewinn von rund 2,7 Milliarden Euro, ein Plus von rund elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Treiber dafür waren unter anderem die weiterhin anhaltende Nachfrage nach neuen Playstation-Konsolen und die steigenden Abozahlen.

Bei Playstation Now kann man sich schon jetzt Spiele aus einer Bibliothek laden oder streamen. Das eingeschränkte Angebot begeistert derzeit allerdings nur rund drei Millionen Menschen. Der Game Pass von Microsoft hat 25 Millionen zahlende Abonnenten.
Foto: Sony

Zwar hat Sony nicht den viel gerühmten Game Pass von Microsoft, der immerhin rund 25 Millionen Abonnenten zählt, dafür aber 48 Millionen zahlende Playstation-Plus-Kunden, die zwar nicht so viel zahlen wie für den Game Pass, dies aber genauso regelmäßig tun. Könnte man diese Plus-Kunden mit besseren Angeboten in den ebenfalls vorhandenen und etwas teureren Playstation-Now-Service umsiedeln, etwa durch neue Service-Spiele, könnte sich dieses Standbein in den kommenden Jahren ebenfalls verbreitern.

Zusammen mit den Verkäufen der für dieses Jahr angekündigten Blockbuster, den steigenden Gewinnen in den einzelnen Sparten und mit dem neuen Plan, auch die Service-Spiele für sich zu gewinnen, wird Sony gut verkraften, dass man seine Strategie öffentlich nicht ganz so laut feiert wie Rekorddeals, die von den US-Behörden derzeit noch untersucht werden, ob sie überhaupt stattfinden dürfen.

Es wird in jedem Fall ein spannendes Jahr für die Gaming-Branche, auch weil ein Ende der Fusionierungen und Akquisitionen noch nicht absehbar ist. Sonys Jim Ryan sagte dazu Anfang der Woche in einem Interview: "Wir sollten auf jeden Fall weitere Übernahmen erwarten. Wir sind noch längst nicht fertig, denn wir haben mit Playstation noch einen langen Weg vor uns". Das bestätigt indirekt auch Branchenkenner Geoff Keighley, der auf Twitter verkündet, ebenfalls von weiteren "großen Videospiel-Deals" zu wissen.

(Alexander Amon, 2.2.2022)