Bild nicht mehr verfügbar.

Beppe Grillo muss sich wieder mehr um die von ihm gegründete Partei kümmern, als ihm lieb ist.

Foto: REUTERS/Max Rossi

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Ausgerechnet Rechtsprofessor Giuseppe Conte, der sich bei seiner Ernennung zum italienischen Ministerpräsidenten im Jahr 2018 als "Anwalt des Volks" empfahl, muss sich nun von einem Gericht als Parteichef der Fünf Sterne absetzen lassen. Bei seiner Wahl zum Chef der Protestbewegung im August des vergangenen Jahres, bei der gleichzeitig auch die Parteistatuten geändert worden waren, sei es zu Unregelmäßigkeiten gekommen, urteilte ein Zivilgericht in Neapel am Montag.

Zehntausende Aktivisten der Fünf Sterne seien zu Unrecht von der Online-Abstimmung ausgeschlossen worden. Die Folge des Urteils: Die "Grillini" haben keinen Vorsitzenden mehr und auch keine gültigen Regeln, nach denen man nun verfahren könnte.

Für und gegen Draghi

Der Gerichtsentscheid trifft die Protestbewegung in ihrer schwersten Krise seit ihrem Bestehen. Seit der mühseligen Wiederwahl von Staatspräsident Sergio Mattarella herrscht in den Führungsgremien der stimmenstärksten Einzelpartei ein offener Krieg zwischen dem bisherigen Chef Conte und Außenminister Luigi Di Maio. Conte hatte erfolgreich verhindert, dass Mario Draghi, sein Nachfolger als Premier, zum Staatsoberhaupt befördert wird; auch sonst geht Conte oft auf Distanz zu Draghi.

Di Maio wiederum gehört innerhalb der Protestbewegung dem Flügel der "governisti" an, also denjenigen Exponenten, die klar zur Regierungsbeteiligung stehen. Letztlich handelt es sich um einen seit Jahren ungelösten Richtungsstreit einer Partei, die das alte System sprengen wollte und selber Teil des Systems und der "Kaste" geworden ist.

Grillo muss wieder ran

Nach der Absetzung Contes muss nun der Gründer und Guru der Fünf Sterne, Ex-Komiker Beppe Grillo, wieder das Szepter innerhalb der Bewegung übernehmen – obwohl er eigentlich gerade andere Sorgen hat: Gegen den 73-Jährigen wird seit Mitte Jänner wegen Korruption ermittelt; sein Sohn wiederum steht wegen einer Gruppenvergewaltigung vor Gericht.

"Wir können es nicht bestreiten: Die Situation ist sehr kompliziert geworden", erklärte Grillo nach dem Gerichtsentscheid. Und er verhängte erst einmal einen Maulkorb gegen alle Abgeordneten und Senatoren: "Ich fordere alle auf, still zu bleiben und keine gewagten Initiativen zu ergreifen, die nicht mit den anderen abgestimmt sind", schrieb Grillo in seinem Blog.

Wie es in der Chaos-Truppe nun weitergehen soll, weiß im Moment niemand so genau. Fest steht jedoch, dass das Regieren für Mario Draghi aufgrund der Krise des größten Koalitionspartners nicht einfacher geworden ist. In den Reihen der Parlamentarier herrscht Ratlosigkeit und Verunsicherung. Aber immerhin: Dass die "Grillini" vollends die Nerven verlieren und die Regierungskoalition platzen lassen, ist zumindest vorläufig nicht sehr wahrscheinlich.

Angst um die Pension

Der Grund: Die Legislatur muss noch mindestens ein halbes Jahr andauern, sonst verspielen all jene Abgeordneten und Senatoren, die 2018 zum ersten Mal gewählt worden sind, ihre Parlamentarierpension. Und das wollen – bei aller Antisystemrhetorik – die wenigsten von ihnen riskieren.

Für viele Fünf-Sterne-Parlamentarier neigt sich das privilegierte Leben in den barocken Römer Macht-Palazzi so oder so dem Ende zu: Im Frühling 2023 wird das Parlament neu gewählt, und vielen "Grillini" droht aus Aus. Voraussichtlich wird höchstens jeder Dritte der über 300 Fünf-Sterne-Abgeordneten und -Senatoren den Sitz im Parlament verteidigen können.

Denn erstens ist die Protestbewegung in den Umfragen auf 15,6 Prozent der Stimmen abgesackt – bei den Wahlen im Jahr 2018 hatte sie noch 32 Prozent der Stimmen erzielt. Und zweitens ist in der Zwischenzeit – auf Initiative der Antisystembewegung – die Zahl der Parlamentssitze von insgesamt 945 auf 600 reduziert worden. Angesichts dieser Zahlen wird kaum einer auf die Idee kommen, die noch laufende Restlegislatur künstlich abkürzen zu wollen.

"Basta, basta, basta"

Unter den Anhängern und Wählern der Fünf Sterne macht sich derweil immer mehr Enttäuschung und Wut breit: "Streitereien, Machtkämpfe und Gerichtsprozesse: Ihr seid das Schädlichste für Italien geworden. Lasst es doch einfach bleiben und überlasst das Land wieder Leuten, die etwas von Politik verstehen", hieß es nach dem Gerichtsentscheid etwa in den sozialen Medien. Und der Aktivist Roberto schrieb: "Basta, basta, basta: nie mehr Cinque Stelle!" (Dominik Straub aus Rom, 8.2.2022)