"Exxpress"-Chefredakteur Richard Schmitt (stehend) soll laut Dobler "nur" weibliche Mitarbeiterinnen "angebrüllt" haben. "Exxpress" weist diese Darstellung vehement zurück, will aber erst im Gerichtsverfahren Stellung beziehen.

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Lange Zeit passte kein Blatt zwischen die Journalistin Anna Dobler und ihren damaligen Arbeitgeber, das ÖVP-nahe Onlinemagazin "Exxpress". Doch Ende Jänner ging alles zack zack: Als stellvertretende Chefredakteurin twitterte sie, dass Nationalsozialisten "nicht nur Mörder, sondern durch und durch Sozialisten" gewesen seien. Kurz darauf wurde sie entlassen. Gegen ihre Entlassung geht Dobler nun gerichtlich vor und erhebt in ihrer Klage schwere Vorwürfe gegen "Exxpress" und dessen Chefredakteur Richard Schmitt.

In der Redaktion herrsche eine "journalistisch-unethische Handlungsweise", heißt es in der Anfechtungsklage, die dem STANDARD vorliegt. Schmitt lege ein "provokatives Verhalten" an den Tag, das zu einer hohen Personalfluktuation führe.

Als Beweis beantragt Dobler die Zeugenladung einiger ehemaliger und aktueller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von "Exxpress". Außerdem will Dobler die Befragung von "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk, der vergangenes Jahr selbst im Visier einer "Exxpress"-Kampagne stand, und Helge Fahrnberger beantragen. Der Gründer der medienkritischen Plattform "Kobuk" gewann einen Prozess gegen Schmitt, nachdem Fahrnberger Schmitts journalistische Arbeitsweise scharf kritisiert hatte.

Beiträge "abgeschrieben bzw. kopiert"

Hinter ihrer Entlassung sieht Dobler ein Motiv: Sie habe sich mehrmals über die "journalistisch-unethische Vorgehensweise" beschwert und den Umstand beanstandet, dass vermehrt Personal eingestellt wurde, das "ideologisch eher 'rechts' angesiedelt" sein soll. Außerdem habe sie sich regelmäßig beklagt, wenn die Redaktion "nicht sauber gearbeitet und recherchiert" und Beiträge von anderen Medien "abgeschrieben bzw. kopiert" habe.

"Exxpress"-Herausgeberin Eva Schütz sagt auf Nachfrage, dass die Entlassung notwendig war, "auch um weiteren Schaden vom Unternehmen – das die Aussagen von Dobler ebenfalls verurteilt – fernzuhalten". In ihrer Klage versuche Dobler, "völlig unrichtige 'Vorwürfe' zu konstruieren". Zu diesen wolle man erst im Gerichtsverfahren Stellung nehmen. Dem STANDARD droht Schütz mit "zwangsläufig medienrechtlichen Folgen", sollte dieser die Vorwürfe verbreiten.

Kritik an Richard Schmitt

Auch ihren Ex-Chef Schmitt kritisiert Dobler direkt: Er habe "nur" die weiblichen Mitarbeiterinnen "angebrüllt". Dobler sei als Frau schlechter behandelt worden und habe weniger Gehalt bekommen als ihre männlichen Kollegen. Auf diesen Umstand will sie mehrmals hingewiesen haben. Ihr Tweet als Entlassungsgrund sei "vorgeschoben", um sich ihrer "zu entledigen".

Schmitt beantwortete eine Anfrage zu den expliziten Vorwürfen gegen seine Person nicht. Auf Twitter aber antwortete er einem User, dass Dobler "böse Unwahrheiten über ihre Kollegen" verbreite und nun auch "Exxpress" klage. Es gebe "eher wenig Gesprächsbasis".

"Gute Freunde der Sozialdemokratie"

Schütz begründete in einer Mail an die Redakteurin den Rauswurf damit, dass der Tweet das Vertrauen in sie erschüttert habe. Chefredakteur Schmitt veröffentlichte ebenfalls auf Twitter eine Klarstellung zur Entlassung. Die im Posting vertretene Meinung entspreche keineswegs jener der Redaktion. Er und die Redaktion wollten nicht mit einer "möglichen Relativierung des Nationalsozialismus" belastet werden. Außerdem sah Schmitt "gute Freunde aus der Sozialdemokratie per Tweets gekränkt".

Welche SPÖ-"Freunde" Schmitt gekränkt sah, wollte er auf Nachfrage nicht beantworten. Jedenfalls aber stößt sich Doblers Rechtsanwältin Claudia Bogensberger an dieser Argumentation: Sozialisten seien keine Sozialdemokraten, heißt es in der Klage.

Tweet als "Blattlinie"?

Außerdem argumentiert Dobler in ihrer Klage, dass die im Tweet verbreiteten Ansichten von "Exxpress" selbst wiederholt "veröffentlicht, verbreitet, geduldet, beworben und beklatscht" worden seien. Sie führt etwa "Exxpress"-Kolumnen an, die Ähnlichkeiten zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus beinhalteten. Doblers Tweet entspreche "absolut der Blattlinie". Diese sei durch provokante Artikel und provokante Auftritte der Mitarbeiter in sozialen Medien geprägt.

Auch zu dieser Argumentation wollten weder Schütz noch Schmitt im Detail Stellung beziehen. Dobler habe mit ihrem Tweet jedenfalls einen Entlassungsgrund gesetzt, argumentiert Schütz auf Nachfrage. Dobler habe gegenüber der "Exxpress"-Leitung sogar die sofortige Löschung des Tweets sowie eine Klarstellung verweigert. "Aufgrund des durch Frau Doblers Handlungen eingetretenen Vertrauensverlustes musste so gehandelt werden", schreibt Schütz. Dobler argumentiert in der Klage, dass sie den Tweet "innerhalb einer Minute" wieder gelöscht habe. Der Screenshot kursierte aber bereits im Netz.

Wie der Sachverhalt zu beurteilen ist, entscheidet jetzt das Gericht. Im März findet die erste Verhandlung vor dem Wiener Arbeits- und Sozialgericht statt. (Laurin Lorenz, 14.2.2022)