Was haben eine Waschmaschine, ein Fernseher und ein Auto gemeinsam? Antwort: Die Alltagsgegenstände sind programmiert. Diese Dinge, die einst analoge Gegenstände waren, sind heute Computer. In einem modernen Fahrzeug stecken rund 100 Millionen Zeilen Programmcode.

Zum Vergleich: Das Weltraumteleskop Hubble kommt mit etwa 50.000 Zeilen Code aus. Die Software steuert Motor, Klimaanlage oder Sensoren. Wenn es irgendwo klemmt, muss das Fahrzeug nicht in die Werkstatt, sondern bekommt per Fernwartung ein Software-Update aufgespielt.

Mit der Computerisierung verändern sich auch die Tätigkeitsfelder in der Automobilindustrie: Gesucht werden nicht mehr nur Mechaniker, sondern auch Programmierer. Allein Daimler hat im vergangenen Jahr 1000 neue Softwareentwickler eingestellt. Der Autobauer tüftelt in seiner Softwareschmiede in Sindelfingen an einem eigenen Betriebssystem für E-Fahrzeuge. Die Konkurrenz sitzt nicht mehr in München oder Detroit, sondern im Silicon Valley.

Zehntausend neue Programmierjobs sollen allein durch Meta in Europa entstehen.
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Große Nachfrage

Die Nachfrage nach Entwicklern wächst ständig. Sogar Fußballklubs suchen mittlerweile nach Softwareingenieuren und KI-Spezialisten, die mit Datenanalysen wertvolle Erkenntnisse aus dem Spielgeschehen ableiten. Der Premier-League-Club Manchester City hat sogar eigene Hackathons veranstaltet, um die besten Programmiertalente zu verpflichten.

Auch im Metaverse entstehen neue Jobs. Allein die Facebook-Mutter Meta will für ihre virtuelle Welt 10.000 neue Stellen in Europa schaffen. Der Sportkonzern Nike, der im Online-Spiel Roblox einen virtuellen Freizeitpark baut, suchte kürzlich nach einem "Metaverse-Engineer". Wenn der Nutzer seinen Avatar in Markenartikel kleiden will, braucht es dafür Entwickler.

Auch im sogenannten Web3 eröffnen sich neue Karrieremöglichkeiten: Für das dezentrale Kryptonetz, das auf das Web 2.0 folgen soll, sind tausende Stellen ausgeschrieben: Frontend-Developer, Smart-Contract-Entwickler, Blockchain-Ingenieure – die Bandbreite ist riesig.

Gute Gehälter

Die Idee des Web3 ist es, die zentralisierte Internetarchitektur auf dezentrale Knoten zu verlagern: Statt über Plattformen sollen Creators ihre Werke, etwa Bilder oder Musik, direkt als NFTs vermarkten. Die digitalen Echtheits- und Eigentumszertifikate werden auf einer Blockchain hinterlegt. Um dieses dezentrale Register am Laufen zu halten, braucht es kluge Coder. Doch die sind rar gesät – und können ihren Preis in die Höhe treiben.

Bis zu 200.000 Dollar Gehalt im Jahr können Programmierer im Web3 verdienen. Bei großen Tech-Konzernen wie Google, Facebook oder Microsoft werden zum Teil Einstiegsgehälter von 150.000 Dollar und mehr bezahlt, hinzu kommen Boni.

Wer bei Google Level 7 der Karriereleiter erreicht, darf sogar mit 600.000 Dollar im Jahr rechnen. Doch kaum jemand kann mit diesen Spitzengehältern mithalten. Dabei suchen auch kleine und mittelständische Unternehmer händeringend Softwareentwickler, etwa für die Programmierung von Datenbanken oder Industrieanlagen.

Kein Ersatz

Der Fachkräftemangel beschäftigt die Politik schon länger. So hat Barack Obama 2014 als erster amerikanischer Präsident eine Zeile Code geschrieben und als "Coder in Chief" dafür geworben, in der Schule Programmieren zu lernen. "Programmieren ist das neue Latein", riefen Bildungsgurus aus, doch bei vielen Jugendlichen sind Programmiersprachen nicht unbedingt attraktiver als eine tote Sprache. Und der Mangel bleibt.

Eine Lösung für das Problem könnte ausgerechnet im Code selbst liegen. So hat die Entwicklerplattform Github im vergangenen Jahr ein KI-System namens Codex entwickelt, das selbst Programme schreibt. Man braucht nicht einmal Programmierkenntnisse, um das Programm zu bedienen. Die KI, die von dem hochleistungsfähigen Sprachmodell GPT-3 abgeleitet ist, verwandelt (natürliche) Sprache in Code. Das Tool ist als Assistenz für Programmierer gedacht, die nicht jeden kleinsten Befehl selbst schreiben wollen. Dabei macht die KI noch viele Fehler: Informatiker der New York University, die die von Codex geschriebenen Programme untersucht haben, kommen zu dem Ergebnis, dass 40 Prozent der Skripte Schwachstellen besitzen. (Adrian Lobe, 18.2.2022)