Eine Delegation aus Mauritius hat am Montag auf einer Insel des Chagos-Archipels im Indischen Ozean die Flagge des Inselstaates gehisst und damit Großbritannien herausgefordert.

Bei der Zeremonie auf dem Atoll Peros Banhos sangen die Teilnehmer einer 15-tägigen Expedition unter der Führung des mauritischen Diplomaten und UN-Botschafters Jagdish Koonjul "Motherland", die Hymne von Mauritius, und zogen ihre rot-blau-gelb-grün gestreifte Flagge an einem Fahnenmast auf.

Jahrzehntelanger Konflikt

Vor dem Mast wurde eine Tafel angebracht, worauf der Anlass der Mission vermerkt ist: "Besuch der Delegation von Mauritius im Archipel von Peros Banhos, Republik Mauritius, im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Untersuchung des Blenheim-Riffs".

Um den Chagos-Archipel herrscht ein jahrzehntelanger diplomatischer Konflikt. Großbritannien hatte in den Sechziger- und Siebzigerjahren die Chagossianer vertrieben, um auf der Insel Diego Garcia gemeinsam mit den USA einen Stützpunkt errichten zu können. Seither ist der Archipel als British Indian Ocean Territory (BIOT) unter britischer Verwaltung, während Mauritius in die Unabhängigkeit entlassen wurde.

Heimkehr für Vertriebene

Es ist das erste Mal, dass Mauritius ohne eine Genehmigung Großbritanniens eine Delegation auf die Inseln schickt. Zu der 25-köpfigen Gruppe, die am 8. Februar mit der gecharterten Superyacht Bleu de Nîmes zu dem Archipel aufgebrochen ist, gehören unter anderem mauritische Offizielle, ehemalige Einwohner der Chagos-Inseln und Medienvertreter. Auch der Völkerrechtler und Anwalt Philippe Sands, der die Sache der Chagossianer vor internationalen Gerichten vertritt, begleitet die Reise.

Die Delegation feierte die Flaggenzeremonie mit einem anschließenden Barbecue am Strand. Die ersten, die Peros Banhos betraten, waren die fünf ehemaligen Bewohner der Insel unter der Führung von Louis Olivier Bancoult von der Chagos Refugees Group. Bancoult stattete gemeinsam mit den ebenfalls vertriebenen Lisbey Elyse, Marie Suzelle Baptiste, Rosemonde Bertin und Marcel Humbert auch dem ehemaligen Friedhof der Insel einen Besuch ab – ein emotionaler Moment für die Heimkehrer.

"Symbolischer Akt"

"Wir vollziehen den symbolischen Akt des Hissens der Flagge genauso wie die Briten es viele Male gemacht haben, um ihre Kolonien zu gründen. Wir beanspruchen jedoch nur, was uns schon immer gehört hat", sagte Koonjul.

Über einen Lautsprecher wurde der Delegation eine aufgezeichnete Rede des Premiers von Mauritius vorgespielt. Pravind Jugnauth erklärte darin, er sei traurig, nicht an diesem "historischen Besuch" teilnehmen zu können. Es sei das erste Mal, dass Mauritius eine Expedition in diesem Teil seines Territoriums führe. "Ich freue mich, dass unsere chagossianischen Brüder und Schwestern ohne ausländische Eskorte zu ihrem Geburtsort reisen können", sagte Jugnauth in Anspielung auf die Tatsache, dass eine temporäre Rückkehr der Chagossianer bisher nur unter britischer Überwachung möglich war.

Man wolle als Staat, der die Souveränität über die Chagos-Inseln habe, der Welt die Botschaft schicken, "dass wir eine weise Verwaltung des Territoriums sicherstellen werden – über die maritime Sicherheit, den Schutz der Meeresumwelt und der Menschenrechte, insbesondere die Rückkehr der Chagossianer".

In einem Telefongespräch mit dem britischen "Guardian" sagte Jugnauth, es sei ein sehr emotionaler Moment für ihn und eine historische Zeit, weil Mauritius nun in der Lage sei, seine Flagge auf seinem Territorium zu hissen. Die Handlungsweise Mauritius' sei legitim, denn die internationale Gemeinschaft habe über die Besitzverhältnisse der Chagos-Inseln bereits zugunsten von Mauritius entschieden. In den vergangenen Jahren hatten mehrere internationale Institutionen den Archipel Mauritius zugesprochen. Würde Großbritannien die Flagge wieder entfernen, wäre dies eine Provokation und zeigte, dass sich Großbritannien nicht an internationale Urteile halte.

Luxusyacht

Die Bleu de Nîmes ist ein ehemaliges Schiff der britischen Marine. Die RMAS Lodestone war ein Spezialschiff aus der Magnet-Klasse. Sie wurde 1997 verkauft und zu einer Luxusyacht umgebaut. Mauritius hat das Schiff nun für 430.000 Euro pro Woche gechartert. Den Passagieren stehen auf ihrer Missionsreise jede Menge Annehmlichkeiten zur Verfügung: Es gibt eine Sauna, einen Fitnessraum und zwei Whirlpools am Sonnendeck.

Grenzstreitigkeiten mit den Malediven

Offiziell ist die Fahrt eine Forschungsreise zum Blenheim-Riff im Norden des Archipels. Bei der Reise der Bleu de Nîmes geht es auch um die Festsetzung der umstrittenen Seegrenzen mit den Malediven. Insbesondere das Blenheim-Riff nimmt diesbezüglich eine interessante Sonderstellung ein. Dieses rund vier mal elf Kilometer große Atoll, das bei Flut vermutlich komplett unter dem Meeresspiegel liegt, befindet sich im Norden des Archipels und damit noch weiter von Mauritius entfernt als der Rest des BIOT. Hier überschneiden sich auch die Interessensphären von Mauritius mit jenen der Malediven. Aus diesem Grund musste die Bleu de Nîmes ihre fahrt auch von den Seychellen aus starten und nicht von den Malediven, wie Mauritius dies ursprünglich geplant hatte.

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Im Jahr 2006 durften einige ehemalige Einwohner mit britischer Genehmigung Peros Banhos besuchen.
Foto: Reuters

Das Blenheim-Riff, ein Niemandsland

Das Blenheim-Riff ist nach der mauritischen Sichtweise wie der Rest der Chagos-Inseln unter "illegaler britischer Verwaltung". Allerdings ist der rechtliche Status unklar – faktisch könnte es sich auch um eine sogenannte "Terra Nullius" handeln, also Niemandsland. Das Riff dürfte im Jahr 1814 nicht Teil des Pariser Vertrages gewesen sein, mit dem Mauritius, die Seychellen und die zugehörigen Gebiete von Frankreich an Großbritannien übergeben wurden. Auch bei der Abtrennung der Chagos-Inseln von Mauritius und der Einrichtung des BIOT im Jahr 1965 wurde das Blenheim-Riff nicht erwähnt. Dies bietet theoretisch anderen Mächten die Möglichkeit, das Gebiet zu beanspruchen. Im Jahr 1975 erklärte sich der damals für das BIOT verantwortliche Kommissar Colin Hamilton Allan für unzuständig für das Atoll und schlug vor, offiziell Anspruch zu erheben, um ein Szenario wie beim Minerva-Riff im Südpazifik zu verhindern. Doch die Regierung in London zog es damals vor, untätig zu bleiben. Im Jahr 1982 jedoch ließ ein britischer Marinekommandant Diego Garcias eigenmächtig die britische Flagge auf dem Blenheim-Riff hissen, was für reichlich Bestürzung in London sorgte.

Das grundsätzliche rechtliche Problem ist, dass das Riff wohl nur bei Ebbe zum Teil auftaucht. Eine solche Erhebung kann jedoch im Gegensatz zu dauerhaft aus dem Wasser ragenden Felsen und Inseln nicht als Staatsgebiet beansprucht werden. Reine Ebbe-Erhebungen können gemäß dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen auch nicht als Basis für einen Anspruch auf ein Küstenmeer oder eine ausschließliche Wirtschaftszone verwendet werden. dies musste schon China mit seinen Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer feststellen. Sollte sich das Riff durch das Wachstum von Korallen oder Ansammlungen von Sand mittlerweile teilweise dauerhaft aus dem Meer erheben, könnte dies jedoch zu einer Veränderung des Status quo führen. (Michael Vosatka, 16.2.2022)