Sieht den Reformball bei den Ländern und Gemeinden: Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).

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Zum einen ist es an sich schon ein Prestigeprojekt der Grünen in der Koalition mit der ÖVP. Zum anderen mahnte es Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) vehement ein, als dem Juniorpartner zuletzt die Diskussion über den geheimen koalitionären Tauschhandel von Posten (Sideletter) ungut zusetzte: das Ende des Amtsgeheimnisses. Bald ein Jahr ist es nun her, dass die türkis-grüne Regierung frohlockend ein Informationsfreiheitsgesetz verkündet hat. Schon im Regierungsprogramm schien diese Reform praktisch ausverhandelt zu sein. Dennoch lässt sie bis heute auf sich warten. Und wie es scheint, dürfte sich das so schnell nicht ändern.

Vor einem Jahr habe man hinsichtlich eines neuen Entwurfs Vorschläge gemacht, seither herrsche Funkstille, sagte etwa Thomas Weninger, Generalsekretär des Städtebunds, im Ö1-"Frühjournal" am Dienstag. "Seitdem hat es keine Rückmeldung, keinen neuen Entwurf und keine Gesprächsrunden gegeben, seien sie auch virtuell." Man sei aber bereit, sich noch einmal zusammenzusetzen und den überarbeiteten Entwurf zu diskutieren.

Doch das Ressort von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) lässt laut Ö1 ausrichten, dass es keinen solchen Entwurf gebe. Im Gegenteil mache das derzeit auch "keinen Sinn", weil zwar alle die Informationsfreiheit befürworten würden, aber nur nicht im eigenen Bereich. Da kommen für die türkise Ministerin eben genau die Länder und Kommunen ins Spiel, die das Ende des Amtsgeheimnisses seit Monaten aus Angst vor einem überbordenden Verwaltungsaufwand blockieren würden.

Erklärvideo über die Bedeutung der Informationsfreiheit.
DER STANDARD

Ein möglicher Ausweg

Schon Anfang Jänner machte der Verfassungsjurist Heinz Mayer deshalb im STANDARD den Vorschlag, nicht mehr auf die Zustimmung von Ländern und Gemeinden zu warten, "das wird nämlich nicht geschehen". Stattdessen solle der Bund eine "Vorreiterrolle" einnehmen und selbst in Sachen Amtsverschwiegenheit tätig werden. Laut Bundesverfassung bestehe diese nämlich nur, "soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist". Demnach könne der Gesetzgeber "die Amtsverschwiegenheit zwar nicht ausdehnen, sie aber einschränken oder gänzlich beseitigen", erklärte Mayer. Dafür brauche es keine Verfassungsbestimmung, für die im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit notwendig wäre, sondern bloß ein einfaches Gesetz.

Doch diesen Ausweg schloss Edtstadler bereits aus. Sie möchte am Koalitionsprogramm festhalten. Für Kogler jedenfalls liegt das Ende des Amtsgeheimnisses beim Koalitionspartner und könnte jederzeit umgesetzt werden. (Jan Michael Marchart, 15.2.2022)