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Der Fernsehsender Doschd wurde mit einem Sendeverbot belegt.

Foto: Reuters/DENIS KAMINEV

Kiew/Moskau – Während Russlands Truppen ukrainische Städte bombardieren, gehen die russischen Behörden im eigenen Land vehement gegen unabhängige Medien vor. Zuletzt wurden der liberale Radiosender Echo Moskwy (Moskauer Echo) und der Fernsehsender Doschd mit einem Sendeverbot belegt, am Donnerstag gab Echo Moskwy seine Auflösung bekannt. Als Grund für das Sendeverbot wurde die Berichterstattung über die Invasion in der Ukraine genannt.

Unter den verbliebenen unabhängigen Medienmachern Russlands hat der Schritt Beunruhigung ausgelöst. Einige sprechen bereits von einer "zweiten Front", die der Kreml im eigenen Land eröffnet habe.

Der russische Generalstaatsanwalt hatte die Medienaufsicht angewiesen, den Zugang zu Echo Moskwy und Doschd zu blockieren, da beide "absichtlich falsche Informationen" über den russischen Einmarsch verbreitet hätten. Am Mittwoch gab der Radiosender schließlich seine Auflösung bekannt. Doschd-Chefredakteur Tichon Dsiadko floh ins Ausland.

Weisung an Medien

Die unabhängigen Medien hatten sich geweigert, die Linie des Kremls in ihrer Berichterstattung über den Ukraine-Krieg zu vertreten. Einheimische Medien waren angewiesen worden, nur offizielle Informationen der Behörden für ihre Berichterstattung zu verwenden. Diese stellen den Angriffskrieg auf das Nachbarland lediglich als "speziellen Militäreinsatz" zum Schutz russischsprachiger Ukrainer vor einem "Völkermord" dar.

Schon vor der von Präsident Wladimir Putin befohlenen Invasion waren die Behörden im vergangenen Jahr in beispielloser Weise gegen unabhängige und kritische Stimmen vorgegangen. Und die russische Regierung zieht die Daumenschrauben weiter an: Am Freitag debattiert die Duma über einen Gesetzentwurf, der bis zu 15 Jahre Haft für die Veröffentlichung von "Fake News" über die russischen Streitkräfte vorsieht, wie der Abgeordnete Sergej Bojarski der staatlichen Nachrichtenagentur Tass sagte.

Am Wochenende hatte die Generalstaatsanwaltschaft zudem gewarnt, dass die "finanzielle, logistische, beratende oder sonstige Unterstützung" einer ausländischen Organisation oder eines Staates für "deren Aktivitäten gegen die Sicherheit Russlands" Hochverrat darstelle. Durch die vage Formulierung lässt sich das Gesetz in umso mehr Fällen anwenden.

Ausschaltung der Medien

"In Russland gibt es genug Gesetze, um einen Journalisten aus jedem beliebigen Grund zu verurteilen" und Medien "auszuschalten", sagt Galina Timtschenko, Leiterin der in Lettland ansässigen russisch- und englischsprachigen Nachrichtenwebsite "Medusa".

"Zensur findet bereits statt", fügt sie hinzu. Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hatte am Samstag allen Medien die Begriffe "Angriff", "Invasion" oder "Kriegserklärung" im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg untersagt. Auch alle Hinweise auf von russischen Streitkräften getötete Zivilisten wurden verboten.

Es drohe ein "Pauschalverbot" kritischer Medien, sagt Jeanne Cavelier, Russland-Chefin der Organisation Reporter ohne Grenzen. Seit dem Einmarsch in die Ukraine vor einer Woche seien mindestens acht russische Medien gesperrt worden. Am Mittwoch folgte mit der Website "The Village" ein weiteres Verbot.

"Krieg gegen die Medien"

Cavalier geht davon aus, dass kein einziges unabhängiges Medium in Russland überleben wird – nicht einmal die oppositionsnahe Zeitung "Nowaja Gaseta", deren Chefredakteur Dmitri Muratow 2021 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Der "Krieg gegen die Medien" sei "die zweite Front" der Invasion in der Ukraine, sagt Timtschenko.

Die Staatsmedien laufen seit Kriegsbeginn hingegen auf Hochtouren. Der als Kreml-Sprachrohr geltende Journalist Dmitri Kisseljow erklärte kürzlich in einer Sendung über die russischen Atomstreitkräfte: "Was nützt eine Welt, in der Russland nicht mehr existiert?"

Alexej Muchin, Direktor des kremlnahen Zentrums für politische Information in Moskau, bestreitet, dass russische Medien zensiert würden. "Zensur ist im Zeitalter des Internets einfach unmöglich", sagt er. Auch von einem systematischen Vorgehen der Behörden gegen seriöse Medien könne keine Rede sein. Die Behörden seien vielmehr mit "politischen Gegnern konfrontiert, die verrückt geworden sind und sich an einem Informationskrieg beteiligen, ukrainische Propaganda verbreiten und Panik schüren", sagt Muchin.

"Medusa"-Chefin Timtschenko macht sich hingegen keine Illusionen darüber, wie der Kampf des Kreml gegen kritische Medien ausgehen wird. "Ich habe den Eindruck, dass es Putins Ziel ist, nur jene zu behalten, die in seiner Gunst stehen", sagt sie. "Der Rest wird gezwungen sein zu fliehen oder wird ausgeschaltet." (APA, AFP, 3.3.2022)