Der frischentdeckte Bashanosaurus primitivus – hier in künstlerischer Interpretation – hat bereits 168 Millionen Jahre auf dem stacheligen Buckel. Ob es sich um ein Alt- oder ein Jungtier handelt, ist noch nicht klar.
Bild: Banana Art Studio

Wenn man im Kinderzimmer versehentlich auf ein Steinchen Lego oder einen Stego steigt, ist es in beiden Fällen schmerzhaft. Die gefährlichen Merkmale sind scharfe Kanten, beim Stegosaurier vor allem auf Rücken und Schwanz, die mit Platten und spitzen Stacheln bestückt sind. Sollte die just in China neu entdeckte Art als Spielzeugfigur aus Plastik vermarktet werden, erhöht sich das Gefahrenpotenzial nochmals – denn sie kommt im Schulterbereich zusätzlich mit seitlichen Stacheln.

Das ist per se nichts Neues. Wissenschaft und Freizeitfachleute in Sachen Paläontologie kennen in der Gruppe der Stegosaurier Arten wie die "Großstachelechse" Gigantspinosaurus. Sie war nicht nur mit den für Stegosaurier typischen Rückenplatten und Schwanzstacheln ausgestattet, sondern zusätzlich mit massiven Schulterhörnern. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie furchteinflößend vierbeinige Pflanzenfresser aussehen können.

Die ebenfalls in China gefundene neue Stegosaurier-Art dürfte allerdings noch älter sein: Bashanosaurus primitivus soll vor 168 Millionen Jahren in der Mitteljurazeit gelebt haben, berichtet nun ein Forschungsteam in der Fachzeitschrift "Journal of Vertebrate Paleontology". Damit sei es wesentlich älter als die meisten bisher bekannten Stegosaurier und das älteste Exemplar Asiens.

Möglicher Ursprung in Asien

Dieser ursprüngliche – und deshalb als "primitivus" bezeichnete – Vertreter ist relativ klein: Er misst von der Nasenspitze bis zum Schwanz 2,8 Meter. Ob das Individuum damit schon ausgewachsen war oder es sich um ein verstorbenes Jungtier handelt, konnte aber noch nicht geklärt werden. Der Name "Bashan" ist übrigens eine alte Bezeichnung für die Region, in der das fossile Skelett gefunden wurde. Sie befindet sich im Verwaltungsgebiet der Stadt Chongquing, das etwa so groß ist wie Österreich und grob in der Mitte Chinas liegt.

Das Besondere an Bashanosaurus: Sein Schulterstachel ist im Vergleich mit anderen Stegosauriern seiner Epoche zwar eher filigran und klein, er weist aber Merkmale auf, die an mehr als 20 Millionen Jahre ältere gepanzerte Dinosaurier erinnern. "Diese Merkmale sind Hinweise auf die Stellung der Stegosaurier im Stammbaum der Dinosaurier", sagt Dai Hui, Leiter des paläontologischen Labors Sichuan und Chongqing und Erstautor der Studie.

Die Entwicklung der Stegosaurier ist bisher noch ziemlich unklar. Fossilien der Vierbeiner wurden bisher auf allen Kontinenten außer Australien und der Antarktis gefunden. Derzeit gibt es 14 Arten, die Zuordnungen von Spezies und einzelnen Funden stehen jedoch naturgemäß zur Diskussion. Das liegt auch daran, dass die Überreste meist unvollständig erhalten sind und daher wenig über die Anatomie, Evolution und Verwandtschaft verraten.

Hierfür liefert der neue Fund jedenfalls wichtige Hinweise und knüpft an wesentlich ältere gepanzerte Dinos an, sagt Hui. Und er vermutet, dass Stegosaurier sogar ihren Ursprung in Asien haben könnten. Neben dem neuen Exemplar wurden auch andere frühe Arten in China aufgespürt – etwa der Huayangosaurus, der ebenfalls durch beachtliche Schulterhörner hervorsticht.

Rau oder sogar flauschig?

Fest steht zumindest, dass hier zahlreiche Spezies dieser Dinosauriergruppe ab dem mittleren Jura gefunden wurden, sagt auch Susannah Maidment, Paläontologin am Londoner naturhistorischen Museum und Co-Autorin der Studie: "China scheint ein Hotspot für die Vielfalt der Stegosaurier gewesen zu sein." Die Tiere dürften dem aktuellen Informationsstand zufolge jedenfalls aus dieser erdgeschichtlichen Epoche stammen oder in noch frühere Zeiten zurückreichen.

Damit gehören sie zu den frühesten bekannten Dinosauriern der Ordnung Ornithischia, den sogenannten Vogelbeckensauriern. Paradoxerweise bedeutet ihr Name nicht, dass sie mit heute lebenden Vögeln enger verwandt sind. Diese zählen nämlich zur zweiten Dinosaurierordnung, den Saurischia oder Echsenbeckensauriern.

Diskutiert wird aber weiterhin, welche Arten – auch der Ornithischia – teilweise oder vollständig von primitiven Federn oder Härchen bedeckt waren. Und damit unseren Blick auf Dinos wohl komplett verändern würden. Vielleicht gibt es sogar einmal stichhaltige Beweise dafür, dass selbst Stegosaurier Flaum oder Federn trugen. Flauschige Stegos könnten zumindest der Fußsohle im Kinderzimmer nur zuträglich sein. (Julia Sica, 4.3.2022)