Emmanuel Macron ist wieder einmal schneller als alle anderen. Der aktuelle EU-Ratsvorsitzende will seinen Partnern bei einem Gipfeltreffen diese Woche einen neuen Notfallplan vorlegen, der den Schock des Ukraine-Krieges in Europa abfedern soll. "Im Wirtschaftsministerium Bercy schläft niemand mehr", umschrieb ein Journalist am Wochenende den Aktivismus in Paris. Die Maßnahmen sollen den alten Kontinent sowohl wirtschaftlich als auch verteidigungspolitisch über die gravierende Krise bringen.

Sondergipfel

Erste Details erörterte Macron am Sonntag in Paris mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel. Wenn möglich, soll bereits der EU-Sondergipfel von Donnerstag und Freitag in Versailles darüber befinden. Macron will damit ohne Verzug sein Versprechen von letzter Woche einlösen, er werde die Franzosen und die Europäer zuallererst "beschützen", wenn er bei den französischen Präsidentschaftswahlen im April wiedergewählt werden sollte.

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Macron verspricht einiges – wenn er wiedergewählt wird.
Foto: AP/Ludovic Marin

Dazu stellte er einen "Plan der Resilienz" in Aussicht. Dieser orientiert sich an dem Wiederaufbaufonds von 2020 gegen die Pandemiefolgen. Ein Teil der Kosten von 750 Milliarden Euro kam erstmals durch eine gemeinsame Schuldenaufnahme zusammen. Die deutsche Ex-Kanzlerin Angela Merkel billigte das Vorgehen als "Ausnahme".

Jetzt bringt Macron aber bereits einen zweiten Fonds ins Spiel, und auch dieser ist zweifellos in dreistelliger Milliardenhöhe. Sein Ziel ist doppelt: Er soll die indirekten Folgen der Russland-Sanktionen für Europa abfedern. Außerdem soll er helfen, den weltweiten Energieschock zu meistern, indem er den inflationsbedingten Kaufkraftverlust der Europäer ausgleicht. In Frankreich sind die Preise zum Beispiel schon vor dem russischen Angriff um vier Prozent gestiegen. Der Wachstumsschub, der den Covid-bedingten Einbruch kompensierte, dürfte durch die Ukraine-Krise bald wieder verloren sein, wie Pariser Konjunkturinstitute mutmaßen.

Gute Chancen

Macrons zweiter "historischer" Rettungsplan binnen eines Jahres hat gute Realisierungschancen. Die vier "frugalen" EU-Mitglieder Schweden, Holland, Österreich und Dänemark dürften diesmal weniger Einwände anbringen, da sie geografisch stark betroffen sind.

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Macron bespricht den Resilienzplan eng mit dem deutschen Kanzler Scholz, mit dem er schon den EU-Wiederaufbaufonds konzipiert hatte.
Foto: Reuters/Pool

Macron bespricht den Resilienzplan zudem eng mit dem deutschen Kanzler Scholz, mit dem er schon den EU-Wiederaufbaufonds konzipiert hatte. Berlin ist heute auch bereit zur Erhöhung der Rüstungsausgaben. Die Deutschen nähern sich damit Macrons erklärtem Wunsch, die Unabhängigkeit und Souveränität Europas konkret zu stärken. Polen und Ungarn, die beide Grenzanschluss an die Ukraine haben, sollen laut französischen Vorstellungen voll von dem neuen Plan profitieren können. Von dem Anti-Covid-Fonds waren sie bisher wegen rechtsstaatlicher Bedenken anderer EU-Mitglieder ausgeschlossen.

Rasant steigende Schulden

Kein Thema ist für Macron die rasante Verschuldung der EU-Mitglieder. Die französische Staatsschuld war bereits durch die Covid-Bekämpfung von weniger als 100 auf 115 Prozent des Bruttosozialproduktes geschnellt. Bei den aktuellen Nullzinsen kann Frankreich damit leben. Wenn aber die Zinsen durch die Inflationsbekämpfung ansteigen sollten, wären Länder wie Frankreich bald nicht mehr fähig, ihre Schulden zu bedienen; eine neue Finanzkrise würde unvermeidlich. Macron entgegnet mit einem gewissen Recht, Europa habe zuerst noch eine ganz andere Krise zu bewältigen. (Stefan Brändle aus Paris, 7.3.2022)