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In Tschernobyl kam es 1986 zu einem verheerenden Atomunfall.

Foto: Reuters/GLEB GARANICH

Kiew – Die staatliche ukrainische Atomenergiefirma Energoatom warnt am Mittwoch davor, dass radioaktive Substanzen aus dem AKW Tschernobyl austreten könnten. Der Stromanschluss des Kraftwerks sei gekappt worden, darum könne verbrauchter Kernbrennstoff nicht gekühlt werden. Arbeiten zur Wiederherstellung der Verbindung und der Stromversorgung der von russischen Soldaten besetzten Anlage seien wegen der anhaltenden Kämpfe nicht möglich, hieß es.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba rief Russland daraufhin zu einem vorübergehenden Waffenstillstand auf, um Reparaturen an einer Stromleitung zu ermöglichen. Andernfalls könnte Strahlung austreten, wenn der Stromausfall andauere. Die Notstromgeneratoren hätten eine Kapazität von 48 Stunden. "Danach werden die Kühlsysteme des Lagers für abgebrannten Kernbrennstoff abgeschaltet, wodurch Strahlungslecks unmittelbar bevorstehen", schrieb er auf Twitter.

IAEA und Klimaministerium beschwichtigen: Genug Wasser und Ölvorräte

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) twitterte wenig später, sie sei von der Ukraine über den Stromausfall in Kenntnis gesetzt worden. Dabei handle es sich zwar um einen Verstoß gegen die Sicherheitsregeln, allerdings bestehe keine unmittelbare Gefahr, dass Radioaktivität austrete. "Die Wärmelast des Lagerbeckens für abgebrannte Brennelemente und das Volumen des Kühlwassers im Kernkraftwerk Tschernobyl reichen aus, um die Wärme effektiv abzuführen, ohne dass eine Stromversorgung erforderlich ist", hieß es zudem in einer Stellungnahme. Der Stromausfall hätte keine kritischen Folgen für die Sicherheit.

Die IAEA habe die Möglichkeit einer Freisetzung von radioaktivem Material nicht bestätigt, kalmierte auch die Strahlenschutzabteilung des Klimaschutzministeriums in Wien in einem Statement. "Für Österreich besteht keine Gefahr und es sind keine weiteren Veranlassungen in Österreich erforderlich", hieß es.

Laut Ministerium zeigen die Strahlenfrühwarnsysteme in der Ukraine und in Österreich keine erhöhten Messwerte. Im Falle einer Notabschaltung seien Dieselgeneratoren vorhanden, um sicherheitskritische Systeme der Anlage mit Strom zu versorgen. Bei störungsfreiem Betrieb würden diese zunächst für 48 Stunden reichen – doch auch danach können die Generatoren weiter mit Diesel betrieben werden, versicherte das österreichische Klimaschutzministerium.

IAEA-Warnungen

Die Atomenergiebehörde hatte zuletzt mehrmals gröbere Sicherheitsbedenken kundgetan, unter anderem weil das ehemalige AKW zunehmend von der Außenwelt abgeschnitten sei. Der Behörde zufolge sind 210 Techniker und lokale Sicherheitsmitarbeiter seit fast zwei Wochen ununterbrochen im Dienst, weil es unter russischer Kontrolle keinen Schichtwechsel mehr gegeben habe.

Sie hätten zwar Wasser und Nahrung, aber ihre Lage verschlechtere sich immer mehr. Außerdem habe die IAEA keine Verbindung mehr zu ihren Überwachungsgeräten, die sicherstellen, dass alles Nuklearmaterial an seinem Platz ist.

In Tschernobyl, wo sich 1986 ein verheerender Atomunfall ereignete, sind alle Reaktoren stillgelegt. Allerdings werden dort heute noch radioaktive Abfälle gelagert, die weiter versorgt und einige Jahre gekühlt werden müssen.

Im Zuge der Invasion wurde in der Ukraine auch ein weiteres AKW und einige andere Einrichtungen mit Beständen von Nuklearmaterial von russischen Truppen angegriffen. Es wurde bisher jedoch kein Austritt von radioaktivem Material gemeldet. (red, APA, 9.3.2022)