Die Freunde des Sports kennen sich sowieso aus, aber zur Sicherheit tragen wir noch einmal die Basics zusammen. Walter Röhrl ist Bayer, gerade einmal 75, in den 1970er- und 80er-Jahren als weltbester Rallyefahrer berühmt geworden und unverändert leuchtturmmäßig, nicht nur wegen des hochragenden Gestells. Er ist die gültige Referenz für jugendliche Altersweisheit und hat ein Charisma, das eigentlich vom Wahnsinn eines Superathleten längst hätte aufgefressen werden müssen. Wenn man’s länger hin und her dreht, wird’s nicht einfacher.

Foto: Jürgen Skarwan

Der heutige Rallyesport ist eine Minderheitssparte für unglaubliche Akrobatik, sie kann keinen Weltstar hervorbringen, und die Heydays der klassischen Bewegung lassen eher die Oldies rocken. Zwischendrin blieb der originale Röhrl, wie er immer war und, unglaublich, immer größer wurde. In den letzten dreißig Jahren war auch Porsche (der Name, der Zauber, die Qualität) daran beteiligt. Man kann ruhig sagen, dass sich Porsche, nun als reine Sportwagenmarke, in dieser Zeit in allen wesentlichen Kennzahlen verzwanzigfacht hat und von einem gefährdeten Exotenhersteller zu einer weltweiten Leitwährung der Branche geworden ist. Vieles davon ist dem im Rückblick arg zerzausten CEO Wendelin Wiedeking zu verdanken, der unter anderem die Idee hatte, das verkopfte (soll sein: geschleckte) Image der Marke mit einem Menschen zu schmücken, der zwar keinen Bauch, aber umso mehr Bauchgefühl hatte. Röhrl war völlig unverdächtig, was die Assoziation Geld, Glamour, Porsche betraf. Mit dieser Schiene hatte er nichts zu tun, es ging um das Ideal eines völlig losgelösten Fahrgefühls, fernab von Status, als sei es für jedermann zu haben, so viel Naivität muss unter Liebenden erlaubt sein.

Wenn man Bauchgefühl sagt, meint man beim forcierten Autofahren eigentlich den Hintern, dessen Sensorium, die Übermittlung ans Hirn und die spontane verbale Zusammenfassung. Es stellte sich heraus, dass Röhrls frühes Talent zur freien Meinung, in bayerischer Analytik, nun immer besser zur Geltung kam – als Porsche-Testfahrer, als Instruktor, als Galionsfigur für beherztes Autofahren bei Gegenwind aus der Gesellschaft. Röhrl konnte so liebevoll über das Erlebnis Autofahren reden, zivil und rennmäßig, dass die skeptische Fraktion eine Weile schmähstad blieb.

Die Fingerspitzen halten das Lenkrad so leicht, dass es flutschen kann. Wir haben die übergreifende Fünf-Minuten-vor-halb-zwölf-Haltung, sind also zart gegenlenkend, dementsprechend pendeln die Hände im Zehn-Grad-Bereich, fast in Zeitlupe. Der Mann steht da in der ganzen Länge seiner 1,96 Meter. Während er oben das Lenkrad schaukelt, macht er unten kleine Seitwärts- und Torsionsbewegungen. Das Becken, das sind offensichtlich die Seitenkräfte, und unten geht das Fahrwerk in die Knie.

Im Bayerischen Wald sorgt mancher noch selbst fürs Holz vor dem Haus. Röhrl hat Stoff für die nächsten dreizehn Jahre daheim, sorgsam berechnet.
Foto: Jürgen Skarwan

Ich kann ihm ja ewig zuschauen, beim Fahren, beim Reden, beim Gestikulieren, wie er ganz auto wird. Das Wesentliche: Du wirst nie eine ruckartige Bewegung erleben, alles geht behutsam vor sich, man kann ruhig sagen in einer gewissen Zärtlichkeit. Ähnliches habe ich übrigens bei den meisten Spitzenfahrern erlebt, denen ich in die Quere kam: dass sie sanft hingreifen. Wenn Niki Lauda früher etwas über einen seiner jungen Airline-Piloten wissen wollte, hat er ihn ein Stück Auto fahren lassen. Aus der Art, wie einer ins Zündschloss einfädelt oder nach dem Schaltknüppel greift, hat er seine Schlüsse gezogen und gesunde Vorurteile geschaffen. Die Abneigung gegen nicht picobello gewaschene Autos gehört in dieselbe Lade, es ist so eine Art Respekt voreinander, Mensch und Maschine. Bei Gerhard Berger war das schon in den verrückten Tagen ganz ausgeprägt: Ist gefahren wie der Henker, hat die Kiste in allen Ehren entsaftet, aber wenn er in seinen Privatautos ein Krümel entdeckte, ist er ausgezuckt.

Autofahren im Röhrl’schen Sinne begann ja erst im "instabilen Fahrzustand", er gebrauchte tatsächlich diesen klinischen Ausdruck für die Freude am Automobil – natürlich auf der Rennpiste, auf Sand oder Eis, aber dann doch auch hilfreich fürs normale Leben. Da kommt diese Röhrl’sche Behutsamkeit als Grundthema ganz gut rüber. Man kann locker ein paar Stunden im Internet verbringen, landet hoffentlich auch bei Helmut Deimels Filmklassiker Die Evolution des Driftwinkels von der Sonderprüfung Lagoa Azul in Portugal 1984: Wir er leben zwar einen Stepptanz auf den Pe dalen, aber bei aller Virtuosität empfindest du keine Bewegung als hastig oder ruckartig. Ein Zeitraum, in dem unsereins nur "UaaaaAAA" einfällt, wird in aller Ruhe in seine Bestandteile zerlegt. Die Kunst, sich im rasenden Ablauf eine eigene Zeitlupenversion zu schaffen, ist leider nicht wirklich erlernbar – diese Art von himmlischem Talent wird immer zwischen uns und denen stehen.

Die 1980er-Jahre waren die Heydays des Rallyesports und ganz speziell von Walter Röhrl. Man kapierte auch schon die Rolle von Audi als Wegbereiter der Allradsysteme für normales Autofahren. Rallye San Remo 1985 / Christian Geistdörfer, Audi quattro.
Foto: McKlein

Herausragend in der Karriere des Walter Röhrl war die Tatsache, dass er viermal die Rallye Monte Carlo gewann – auf vier verschiedenen Autos: Fiat 131, Lancia 037, Opel Ascona 400, Audi quattro S1, eine sagenhafte Palette. Am engsten nahm ihn die Auto-Society wohl in Zusammenhang mit Audi wahr, also auch mit Allrad und Turbo-Power und dem Technik-Image Ferdinand Piëchs.

Bekanntlich geriet das Autofahren ab den 1990er-Jahren langsam in Verschiss, teilweise aus guten Gründen. Man griff beispielsweise in die Hoheitsbefugnisse des Lenkers ein. Eine besonders heikle Sache für quasi aktive Fahrer wie die von Porsche, und was sollte der führende Testpilot dazu sagen, wenn einem ein Assistenzsystem nach dem anderen unter den Hintern geschoben wurde?

Röhrl, erst kürzlich:

"Na ja, da spiele ich keine so glänzende Rolle. Als Erstes kam ABS, vor knapp vierzig Jahren. Ich hab sofort gesagt: So ein Schmarrn. Heute ist es als Grundbaustein aller hilfreichen Systeme evident, vollkommen klar. Dann kam Mercedes mit dem elektronischen Stabilitätsprogramm, wo natürlich alle Hersteller aufgesprungen sind. Bei Porsche heißt es PSM, und ich war gleich einmal unheimlich dagegen. Ich hab g’sagt: Herrschaften, ich will keine Schnellfahrverhinderungsanlage. Falls wir so etwas machen, muss unser Auto ohne das System perfekt abgestimmt werden, dann kömma das vielleicht oben draufsetzen, aber es darf mich nicht einbremsen oder einschränken. Ich hab unsere Leut’ zwei Jahre lang gelöchert ... Und heute fahre ich mit allen Systemen eingeschaltet."

"Ich brauch nix ausschalten, weil nix störend eingreift, ob auf der Rennstrecke oder sonst wo. Solang du perfekt fährst, herrscht Ruhe ... Und wenn das System eingreift, dann ist es eben auch notwendig ... dann bist du einer, der am Lenkrad herumreißt oder schon in eine physikalische Grenzsituation gekommen ist. Also finde ich diese Art von Elektronik gut, sie ist sicher auch ein Grund für den Rückgang der Unfallzahlen.

Autofahren ist für mich Lebensfreude und nicht Mittel, um von A nach B zu kommen. Jedes Einlenken, das auf den Millimeter stimmt, darüber freu ich mich mit meine 75 Jahr’... auch wenn’s kindisch ist."

Maxi beaufsichtigt sechs Porsche-Klassiker, allesamt aus der Ära der Luftgekühlten.
Foto: Jürgen Skarwan

So weit, so einleuchtend und erfreulich.

Dann kam E.

Bei ersten Testfahrten hielt man Batterie-Autos noch für ein lustiges Minderheitenprogramm, und ein Mensch wie Röhrl war selbstverständlich begeistert über das Übermaß an Drehmoment. Als Rennfahrer, auch Ex-Rennfahrer, kommt man ja sofort ins Fantasieren über ein sagenhaftes neues Kapitel im Physikheft.

Dann kam die Erkenntnis, dass es so nicht funktionieren kann, mit all den Problemen, die wir mittlerweile kapiert haben. Ein Porsche, der 800 Kilogramm Batterien durch die Gegend schleppt ... oder auch nur 400? ... Egal ... kein Fall für Röhrl. Besonders empörte ihn die Verlogenheit der Formel-E-Rennserie, wo hinter den Boxen die Diesel-Generatoren standen, um die Batterien für den grünen Sport aufzuladen. Der Walter drückte sich da ziemlich deutlich aus, auch was den ultimativen E-Kurs des ganzen VW-Konzerns betraf, und die Diplomatie eines "Markenbotschafters" war ihm nicht so wirklich geläufig.

So konnte es natürlich auch nicht ins vierte Jahrzehnt der Connection gehen, und nach schlauer Moderation hält Röhrl sich aus dem E-Thema nun weitgehend heraus. Als Galionsfigur für die gesamthafte Werteskala des Autofahrens wird er mehr geschätzt denn je zuvor, markenübergreifend, also: ein Statement für den Verbrenner, auf dass er in Zukunft jene Zaubertreibstoffe erleben möge, die ihn noch lang am Laufen halten.

Wir können einander nach fünfzig Jahren noch immer ganz gut leiden: Röhrl und Völker, Journalist und manchmal auch im selben Auto.
Foto: Jürgen Skarwan

Wir verharren noch ein bissl in der Situation, wo ein glühender Verbrennermensch der neuen Zeit ins Auge blicken muss.

"Willst du die E-Zeit quasi als Epoche begreifen, die an dir vorbeizieht – an dir privat und im Porsche-Job?"

"Mein Job ist, für die Marke geradezustehen, gern für Verbrenner. Immerhin krieg ich alle vierzehn Tage eine Schachtel mit Autogrammpost, die unterschreib ich brav und gern ..."

"... aber als sturer E-Gegner?"

"Nein, ich bin ja net blöd. Es gibt genug Menschen, die zum Einkaufen in die Stadt müssen oder zum Wochenende in den Wald wollen, für die ist E schon okay ..."

"Jetzt sag einmal was Nettes. Du freust dich doch auf beschwingte Jahre. Wie ist der Weg in die Zukunft?"

"Aus Wasserstoff E-Fuel zu machen, das wär die Lösung."

"Da setzen sie dir noch dreihundert Windradln in den Bayerischen Wald ..."

(lacht) "Da samma natürlich auch dage gen, das ist schon ein Problem ..."

Wenn wir dann in aller Schlauheit über Offshore und Wasserstoff und Biomasse und Klärschlamm reden, um irgendwann menschenfreundliches E-Fuel zu erfinden (und damit den Verbrenner zu retten), sind wir bald am Ende der gesammelten Weisheiten.

Zur Erholung reden wir noch über autonomes Fahren, eine gut ausgestattete Garage und die Fitness im hohen Alter.

Ob er fürchte, sich noch irgendwann ins autonome Fahren einfädeln zu müssen?

"Für A nach B ist autonom vielleicht okay, da kann einer träumen ... Einer hinterm anderen, dann werd ich ein Problem haben, wenn ich sie alle überhol und durcheinanderbring ..."

"... dann wirst eing’sperrt auch noch ..."

"Hundertprozentig."

Foto: McKlein

"Noch bist du frei beweglich. Hast du genügend Autos?"

"Na ja, es gibt zwei moderne, und hier in dieser Garage stehen sechs Autos, die ich recht gern hab, und der (Kater) Maxi geht gern mit, wenn ich sie besuchen geh. Nur Luftgekühlte. 356 Cabrio und Coupé, 1970 Elfer Rallye, 1971 Elfer, 1972 Targa, 1989 964 RS, 1995 994 RS."

"Kommen die auch an die frische Luft?"

"Na klar, jedes Auto einmal pro Monat zwischen April und Oktober. Da ergibt sich meistens eine Oldtimer-Veranstaltung oder ein Porsche-Termin. Kleine Standschäden werden repariert, ansonst geht’s ihnen super, weil sie ordentlich bewegt werden."

Zum 75. Geburtstag darf man wohl auch diskret nach den Beschwernissen des Alters fragen. An der Figur gibt’s ja nichts zu meckern. 75,5 Kilogramm bei 195 Zentimeter Länge ergibt ungefähr den BMI einer Gelse.

Für die Nürburgring-Nordschleife muss er jetzt mit 8:10 rechnen, früher waren’s glatte acht Minuten mit einem Cayman GTS, den er grundsätzlich für das g’scheiteste Auto hält, "wemma weiterkommen will".

Walter klagt über den Bruchharsch, der aus dem Tiefschneefahren die gleiche Schinderei macht wie das Bergaufhatschen mit den Fellen. Zwei Stunden Hatschen und dann Bruchharsch, da plagt man sich ja doch als älterer Mensch. Und mit dem Radl stellt er fest, dass der Berg halt doch wieder ein bissl steiler geworden ist. Man sollte aber doch anderthalb Stunden pro Tag auf dem Bike verbringen. Für uns Amateure will er noch klarstellen: Ein ganz normales Mountainbike, hart gefedert, also vorn Gabel, aber hinten keine Vollfederung. Natürlich hat er mittlerweile auch ein Porsche-E-Bike zum Probieren. Testergebnis: "Da hab ich dauernd ein schlechtes Gewissen, wenn i da oben sitz, des wird nix für mi."

Ist wohl eher eine Sache fürs Älterwerden. Da bleibt dann auch noch genügend Zeit für eine frische Liebe zum elektrischen Auto.

Gell, Walter?

Grrrr.

(Herbert Völker, 9.4.2022)