Auch an der Wall Street ist die Zahl an Neuzugängen eingebrochen, im ersten Quartal sank das Emissionsvolumen um mehr als 90 Prozent.

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Der Boom an Börsengängen des Vorjahres ist mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine abrupt abgerissen. Dabei hatte es auch in den ersten Wochen des neuen Jahres noch so ausgesehen, als könnte man an das rekordverdächtige Vorjahr anknüpfen. "Der Krieg in der Ukraine und die massiv gestiegene politische und wirtschaftliche Unsicherheit hatten zur Folge, dass viele Unternehmen ihre Börsenpläne für das erste Quartal vorerst verschoben haben", erklärt Gerhard Schwartz, Partner bei EY Österreich, das plötzliche Zögern vieler potenzieller Börsenkandidaten.

Denn die durch den Krieg ausgelöste Unsicherheit hat die Aktienmärkte, allen voran die europäischen, durchgebeutelt, sodass durch die Kursrückgänge Unternehmen nun weniger hoch bewertet werden – was auch die möglichen Einnahmen bei Börsengängen entsprechend nach unten drückte. Die Folge: Nach einem sehr lebhaften Jahresauftakt – im Jänner hatte das weltweite Emissionsvolumen mit 32 Milliarden US-Dollar noch den Höchststand seit 21 Jahren erreicht – brach die Zahl der Börsengänge im Februar und März weltweit völlig ein.

Minus 51 Prozent

Insgesamt wagten laut einer EY-Studie im ersten Quartal global nur noch 321 Unternehmen den Sprung aufs Parkett. Das sind um 37 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, wobei das erzielte Emissionsvolumen sogar um 51 Prozent auf 54 Milliarden US-Dollar sank. "Die Volatilität ist im ersten Quartal in die Höhe geschnellt und hat sich verdoppelt, während weltweit an den Börsen hohe Kursverluste verzeichnet wurden", sagt Schwarz. In diesem Umfeld seien Investoren sehr zurückhaltend, daher würden viele Unternehmen ihre Börsenpläne verschieben.

Am stärksten waren die US-Börsen betroffen. Im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres sank die Zahl der Börsengänge von 100 auf 25, das Emissionsvolumen verringerte sich sogar um 94 Prozent von 42 auf bescheidene zwei Milliarden US-Dollar. In Europa halbierte sich die Zahl der Börsengänge von 89 auf 47 fast, wobei das Emissionsvolumen von 26 auf knapp drei Milliarden US-Dollar zurückging.

Nummer eins bei Anleihen

An der Wiener Börse gab es im Auftaktquartal mit Pierer Mobility ein neues Listing im höchsten Marktsegment, dazu kommt die Notierung von Lekta Therapy im Einstiegsmarkt. Während bei Börsengängen weiterhin Ebbe herrscht, gab es bei den Anleihen geradezu eine Flut an Neuzugängen: Mit mehr als 1800 neuen Notierungen ist die Wiener Börse im ersten Quartal EY zufolge die Nummer eins unter den europäischen Anleihenlistingplätzen.

Abgerissen ist auch der Boom an sogenannten Spac-Transaktionen. Dabei verschmilzt eine operative Gesellschaft mit einem notierten, leeren Börsenmantel und kommt dadurch selbst an ein Listing am Aktienmarkt. Mit 64 Spac-Transaktionen betrug das Minus 79 Prozent, das erzielte Emissionsvolumen von 10,7 Milliarden US-Dollar entspricht einem Einbruch um 89 Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Dennoch bleiben diese Spac-Gesellschaften ein Hoffnungsträger für den Jahresverlauf.

"Die Kassen der derzeit insgesamt 713 aktiven Spacs sind mit gut 166,5 Milliarden Dollar prallgefüllt", sagt EY-Experte Schwarz. Vor allem für die Bereiche Technologie, Industrials und Gesundheit sei dies interessant. Jedoch ticke die Uhr für die auf 24 Monate angelegten Spacs. Schwarz erwartet, dass durch sie ausgelöste Börsengänge heuer weiter zunehmen werden. Auch sonst hofft er für das zweite Halbjahr auf eine Belebung, denn: "Die Pipeline an Börsenkandidaten ist nach wie vor gut gefüllt." Allein, sollte sich die Börsenstimmung nicht verbessern, könnten diese ebenso an strategische Käufer oder Private-Equity-Investoren veräußert werden. (Alexander Hahn, 29.3.2022)