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Studien untersuchten bereits geruchliche Komponenten von Balsamierungsmitteln und Grabbeigaben.
Foto: Wong Maye-E / AP

Der Geruchssinn ist einer, der für Historikerinnen und Archäologen meistens eine untergeordnete Rolle spielt. In letzter Zeit scheint er allerdings eine gewisse Aufmerksamkeit zu erhalten. Im vergangenen Jahr wurde das Werk des britischen Historikers William Tullett "Smell in Eighteenth-Century England" als Taschenbuch aufgelegt. Kürzlich schrieb eine Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte im Fachjournal "Nature Human Behaviour" über neue Möglichkeiten, Gerüche der Vergangenheit zu rekonstruieren, um frühere Lebenswelten besser zu verstehen. So könne man olfaktorische "Fingerabdrücke" erstellen, die auf der Identifizierung bestimmter Moleküle basieren.

Dies setzte auch ein italienisches Forschungsteam um, der Erstautor trägt sogar einen passenden Nachnamen: Der Chemiker Jacopo La Nasa von der Universität Pisa machte sich mit Kolleginnen und Kollegen daran, Objekte aus einem ägyptischen Grab auf ihre unsichtbaren und flüchtigen organischen Stoffe hin zu untersuchen. Dabei handelte es sich vor allem um versiegelte Amphoren und andere Gefäße, die bisher noch nie geöffnet wurden.

Aroma in den Vitrinen

Das zugehörige Grab, das bereits 1906 entdeckt wurde, ist das reichhaltigste nicht-königliche Grab, das überhaupt in Ägypten gefunden wurde. Es befindet sich in der Nekropole Deir el-Medina bei Luxor. Vor mehr als 3.400 Jahren bestattete man dort den hochrangigen Bauleiter Kha und seine Ehefrau Merit – auch ihre Mumien wurden bei der Entdeckung nicht ausgepackt, was für diese Zeit als eher ungewöhnlich gilt. Die enthaltenen Gegenstände wurden ins Ägyptische Museum Turin überführt.

Um das flüchtige Aroma einzufangen, kamen Plastiksackerl zum Einsatz. Zum Schutz der Objekte wandte das Team keine invasiven Methoden an.
Foto: J. La Nasa et al. 2022, Journal of Archaeological Science

"Aus Gesprächen mit den Kuratoren wussten wir, dass es in den Vitrinen fruchtige Aromen gab", sagt Ilaria Degano, eine der beteiligten Chemikerinnen. Selbst viele Fachleute nehmen an, dass die Artefakte nach solch einer langen Zeit keinen Duft mehr ausströmen, und befassen sich daher nicht ausführlicher damit. Um die Ausdünstungen einzufangen, stülpte das Team den Gefäßen Plastikfolie über. So sammelten sie die flüchtigen chemischen Verbindungen der Gefäße und Tassen, die etwa verfaulte Lebensmittelreste enthielten, um sie später per Massenspektrometrie zu identifizieren.

Früchte und Fisch, Bienenwachs und Balsam

Die Aroma-Ausbeute überraschte das Forschungsteam: Bei zwei Dritteln der untersuchten Gefäße konnten Spuren des Inhalts analysiert werden. Sie zeigten, dass hier unter anderem Früchte, getrockneter Fisch und Bienenwachs aufbewahrt wurde – verschiedene Aldehyde und Trimethylamin führten das Team hier auf die richtige Geruchsfährte. Der Inhalt der Gefäße sollte die Verstorbenen auf ihrer Reise ins Jenseits begleiten und nähren. Für Forschende ergeben sich daraus neue Erkenntnisse über die Bestattungsriten von Menschen, die nicht zur Königsfamilie gehörten, aber dennoch von hohem gesellschaftlichem Rang waren.

"Wenn man die Menschen des alten Ägyptens verstehen will, muss man sich in die Welt der Gerüche begeben", ist der Archäologe und Chemiker Stephan Buckley von der Universität York (Großbritannien) überzeugt. Er untersuchte etwa 2014 und 2018 Leinenbandagen, die zur Mumifizierung vor mehr als 6.000 Jahren verwendet wurden. Seine Forschungsgruppe wies antibakteriell wirkende Balsamierungsmittel nach. Ein Indiz dafür, dass man in Ägypten 1.500 Jahre früher als angenommen Mumifikationstechniken ausprobierte.

Nasale Wahl

Jedoch ist es nicht immer einfach, auseinanderzuhalten, welche Gerüche erst mit der Verwesung – oder allgemeiner: mit der Zersetzung der organischen Materialien – entstanden. Buckley ist optimistisch, dass sich dies dennoch bewerkstelligen lässt. So könnte man nachbilden, wie es bei den Bestattungszeremonien gerochen hat. Bekannt ist etwa, dass im alten Ägypten dafür Weihrauch verwendet wurde. Die süßlichen Harze mussten allerdings in die Region importiert werden, da die notwendigen Bäume nicht in Ägypten wuchsen.

Das Dufterlebnis ist einigen Forschenden zufolge auch zur Wissensvermittlung in Museen ein interessanter Ansatz. Der direkte Zugang des Geruchssinnes zum Gehirn und die Verbindung mit Erinnerungen könnte der Museumserfahrung eine neue Dimension verleihen und einen persönlicheren, emotionaleren Zugang liefern. Aber gerade weil manche Menschen die Gerüche auch als unangenehm wahrnehmen könnten, ist Buckley auch vorsichtig: "Kuratorinnen und Kuratoren sollten den Leuten wohl die Wahl lassen, wie weit sie mit dem Geruchserlebnis gehen wollen." (sic, 3.4.2022)