Das Schild eines Zimmers an der Kinder- und Jugendpsychiatrie im AKH. Dort könnte ab Sommer die letzte durchgehend geöffnete bettenführende Station des Faches sein, sollte Hietzing tatsächlich zur Wochenklinik werden.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Klinik Hietzing kommen die Fachärzte abhanden. Wie DER STANDARD berichtete, sieht es danach aus, dass die Abteilung ab dem Sommer zur Wochenklinik wird, also über das Wochenende zusperrt. Dann wäre nur mehr am AKH eine Station für junge Psychiatriepatienten in Wien durchgehend geöffnet, was dort als höchst problematisch erachtet wird. Laut Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sind derzeit alle Beteiligten bemüht, eine andere Lösung zu finden. "Es finden laufend Gespräche statt", sagt Hacker zum STANDARD. Eine Wurzel des Problems ist laut Hacker, dass es viele Kinder- und Jugendpsychiater in den Wahlarztsektor zieht.

Für den Zustand in Hietzing gibt es aber eine Reihe weiterer Gründe: Das Arbeiten dort soll schon vor Jahren schwieriger geworden sein, als Kräfte aus Disziplinen wie Ergo- und Psychotherapie, die auch für die Patientenbetreuung wichtig sind, ans Krankenhaus Nord (heute Klinik Floridsdorf) abgezogen wurden. Dort ging allerdings nie eine bettenführende Station des Faches in Betrieb. Auch dass das Primariat in Hietzing seit zwei Jahren vakant ist, dürfte das Arbeitsklima verschlechtert haben. Anfang 2022 machte die Belegschaft mit einer Gefährdungsanzeige auf die eklatante Ressourcenknappheit aufmerksam.

Neue Anstellungsform

Nun sei eine Art Hybridanstellung in Diskussion, um die Spitalsarbeit attraktiver zu machen, sagt Hacker: Ärztinnen des Faches könnten sowohl an der Klinik Hietzing des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) als auch beim Psychosozialen Dienst (PSD) angestellt sein und hätten dann ein breiteres Aufgabenfeld. Ein Mittel gegen den Fachärztemangel könne mittelfristig auch sein, Absolventen einige Jahre für den öffentlichen Gesundheitssektor zu verpflichten. Zugleich werde die ambulante Betreuung junger psychiatrischer Patientinnen und Patienten ausgebaut, zum Beispiel mithilfe des PSD, sagt Hacker. Ein Pilotprojekt läuft.

Im niedergelassenen Bereich gibt es in Wien derzeit 40 Wahlkinder- und -jugendpsychiater und nur sieben auf Kasse. Eigentlich sollte es zehn Kassenverträge geben, bis 2025 sogar 15. Hacker meint, dass es für Ärztinnen und Ärzte attraktiver sei, eine Wahlarztpraxis aufzumachen, als im öffentlichen Spital oder auf Kasse zu arbeiten. Der Mangel im niedergelassenen Kassenbereich werde auch im Spital sichtbar, weil dort Fälle hinkämen, die in einer Ordination zu behandeln wären. Generell sei noch ergänzt, dass es international an Kinder- und Jugendpsychiatern mangelt.

Kammer warnt vor Gefahr

Helmut Krönke, Sprecher des Fachbereichs in der Ärztekammer und selbst Wahlarzt des Faches, hielte es für gefährlich, den Wahlarztsektor zu zerschlagen. Es brauche diesen, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. "Das würde den Patientinnen und Patienten auf den Kopf fallen." Wer glaube, es kämen nur gutsituierte Menschen in diese Ordinationen, irre. Des Weiteren sei erst diese Woche zum Beispiel ein Fall in seiner Praxis gewesen, bei dem eine Schutzfixierung notwendig geworden sei, der also ins Krankenhaus gehört hätte.

"Der Wahlarztsektor hält Wien in vielen Bereichen am Laufen", ist Krönke überzeugt. Dass Hacker auch eine Art Hybridanstellung für Spitalsärzte ins Auge fasst, beurteilt Krönke als positiv. "Es ist eine gute Idee, flexiblere Anstellungsmodelle anzubieten", sagt er. Leider sei dieser Mangel an Flexibilität bislang oft der Grund gewesen, warum Fachärztinnen und Fachärzte in Hietzing das Handtuch schmissen – etwa wenn sie um eine Stundenreduktion ansuchten.

Ausbildungsschlüssel geändert

Das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie ist noch sehr jung. An Medizinerinnen und Medizinern mit dieser Spezialisierung mangelt es international. Erst vor wenigen Monaten erhöhte denn auch der damalige Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) den Ausbildungsschlüssel in der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Nun darf eine Fachärztin bzw. ein Facharzt zwei statt wie bisher eine Assistentenstelle betreuen. Bis das spürbar wird, wird aber noch einiges an Zeit vergehen: Eine Facharztausbildung dauert sechs Jahre. (Gudrun Springer, 12.4.2022)