Mit dem Werk in Corpus Christi wollte man von billigem Schiefergas profitieren. Die Rechnung ging allerdings nicht auf wie erhofft.

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Wien – Fünfeinhalb Jahre nach der Inbetriebnahme schlägt die Voestalpine ihr Roheisenwerk in Texas wieder los. Die Eisenpelletsproduktion in Corpus Christi am Golf von Mexiko läuft nach zahlreichen Rückschlägen und Abschreibungen in Millionenhöhe zwar endlich rund, der Linzer Stahl- und Verarbeitungskonzern holt sich nun aber einen Partner an Bord. Voestalpine wird sich, so der Plan, auf einen Minderheitsanteil zwischen 20 und 30 Prozent zurückziehen.

Das erfuhr DER STANDARD in Aufsichtsratskreisen des Stahl- und Verarbeitskonzerns. Laut Recherchen des STANDARD blieben in dem vor Monaten gestarteten Verkaufsprozess von insgesamt 28 Interessenten zunächst "zwei bis drei" übrig, mit denen bis zuletzt intensive Verhandlungen geführt wurden. Beobachter sprechen von einem Poker, ein Ergebnis wird in den kommenden Tagen und Wochen erwartet.

Eisenschwamm für Linz und Donawitz

Alle Interessenten seien durch die Bank international aktive Branchenunternehmen, die selbst Bedarf an dem in Corpus Christi produzierten Hot Briquetted Iron (HBI; Roheisen, das weiterverarbeitet wird, Anm.) haben, wie Insider schildern. Das ist insofern bedeutsam, als die Voest auch nach dem Mehrheitsverkauf Eisenschwamm aus Texas beziehen wird, der vom werkseigenen Hafen per Schiff nach Europa transportiert wird. Der Jahresbedarf der Linzer bewegt sich in einer Größenordnung von knapp 500.000 Tonnen. Rund 300.000 Tonnen werden Jahr für Jahr nach Linz geschippert, der Rest wird im steirischen Donawitz verarbeitet, heißt es.

Dies jedenfalls bis 2027, denn da sollen an beiden Standorten die mit Kohle und Koks befeuerten Hochöfen durch Elektrostahlwerke ersetzt werden und somit die Dekarbonisierung der Stahlproduktion gemäß Klimastrategie beginnen. Die Baufeldfreimachung für die CO2-freie Green-Tec-Steel-Produktion hat soeben begonnen, die CO2-Emissionen sollen bis 2030 um rund 30 Prozent reduziert werden.

Ein Sorgenkind weniger

Das Unternehmen bestätigt den beabsichtigten mehrheitlichen Verkauf nicht, dementierte auf Anfrage des STANDARD allerdings auch nicht. Man kommentiere Gerüchte nicht, hieß es am Sonntag in einem dürren Statement.

Mit der Abgabe der Mehrheit entledigt sich Voestalpine eines ihrer US-amerikanischen Sorgenkinder. Die unter dem langjährigen Vorstandschef Wolfgang Eder initiierte und vorangetriebene Großinvestition in Houston in Texas kam bis zur Inbetriebnahme im Oktober 2016 erheblich teurer als ursprünglich kalkuliert. Statt auf 550 Millionen Euro, wie bei den Planungen im Jahr 2012 projektiert, beliefen sich die Errichtungskosten bis zum Hochlauf Ende 2016 auf 930 Millionen Euro.

Die Erwartungen des damaligen Voestalpine-Chefs Wolfgang Eder sollten sich nicht erfüllen. Bei der Eröffnung im Oktober 2016 war das Werk in Texas bereits um ein Drittel teurer. Das Einstandsgeschenk als Aufsichtsratsvorsitzender ist nun der Verkauf.
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Die Liste der Gründe für den massiven Kostenauftrieb ist lang, und bei weitem nicht alle waren vom österreichischen Investor kalkulierbar: Naturereignisse wie Regenfälle und Überschwemmungen wurden ebenso genannt wie eine dramatische Baukosteninflation aufgrund des von der Schiefergasförderung angeheizten Baubooms in der Region. Hinzu kamen notwendige "Ergänzungsinvestitionen", etwa für eine Kaltbrikettieranlage, sowie massive Probleme mit der Staubentwicklung, die zusätzliche Investitionen erforderlich machten. Während der Corona-Krise war auch noch "die Disparität zwischen dem steigenden Erz- und dem niedrigen Schrottpreis nicht mehr gegeben", wie es hieß, weshalb sich die Ertragserwartungen am Golf von Mexiko erneut nicht erfüllten.

Buchgewinn?

Zum nun angepeilten Verkaufspreis äußerte sich Voestalpine erwartungsgemäß nicht. Die Investitionskosten dürfte man mit dem mehrheitlichen Verkauf der Voestalpine Texas LLC wohl kaum hereinbekommen, aber ein Buchgewinn für eine der modernsten HBI-Anlagen der Welt sollte sich aber ausgehen.

Nach mehreren schmerzhaften Wertberichtigungen stand Corpus Christi zuletzt mit 448 Millionen Euro in den Büchern des Konzerns. Im Geschäftsjahr 2020/21 waren außertourlich 163 Millionen Euro abgeschrieben worden, im soeben ausgelaufenen Geschäftsjahr 2021/22 (per 31. März) waren weitere "rund 170 Millionen Euro an negativen Einmaleffekten" zu verdauen (inklusive einer Sammelklage wegen hoher Staubbelastung, die mit 88 Millionen Dollar beseitigt wurde). (Luise Ungerboeck, 10.4.2022)