Eine ältere Aufnahme von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Cobra-Direktor Treibenreif.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Erst war da nur ein anonymer Brief voller Anschuldigungen. Um einen Autounfall der betrunkenen Personenschützer der Kanzlerfamilie ging es da und um zahlreiche Vorwürfe drumherum, die der Kanzler selbst prompt zurückwies. Nur: Nach und nach stellten sich immer mehr dieser Anschuldigungen als wahr heraus.

Vorläufiger Höhepunkt dessen ist, dass die Vorwürfe sogar die Staatsanwaltschaft auf den Plan rief. Die prüft nun offenbar den Anfangsverdacht auf Amtsmissbrauch gegen den Direktor der Cobra, Bernhard Treibenreif, wie der STANDARD in Erfahrung brachte. Geprüft wird, ob er dabei mithalf, die "Causa Cobra" zu verschleiern. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Stück für Stück

Die Causa hat ihren Ursprung an einem Sonntag Mitte März, an dem zwei Personenschützer von Katharina Nehammer, der Ehefrau von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), beim Ausparken einen Unfall gebaut hatten, beim Lenker sollen 1,2 Promille festgestellt worden sein.

In einem anonymen Schreiben eines angeblichen Cobra-Beamten kamen weitere Vorwürfe hinzu: Die Personenschützer sollen mit Katharina Nehammer in deren Wohnung getrunken haben, sollen für private Zwecke eingesetzt worden sein, außerdem soll es persönliche Verstrickungen zu Personenschützern geben. Karl Nehammer sprach in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz von "Unwahrheiten" und "glatten Lügen". Bestätigte dabei aber auch den ersten Vorwurf: Man würde den Cobra-Beamten auch PCR-Tests der Kinder mitgeben, das sei nicht verwerflich.

Vorwurf der Vertuschung

Rasch wurden auch persönliche Verstrickungen bekannt: Ein Personenschützer von Karl Nehammer ist ein guter Freund der Nehammers, liiert mit einer Freundin Katharina Nehammers. Auch daran sieht man bei den Nehammers aber nichts Verwerfliches: Natürlich nehme man Personenschützer, denen man vertraue, heißt es, immerhin gehe es um Familie und Kinder.

Katharina Nehammer selbst war es dann, die den dritten Vorwurf öffentlich bestätigte: Ja, man habe in der eigenen Wohnung mit den Personenschützern auf einen Geburtstag angestoßen. Aber offenbar hätten diese noch weitergetrunken. Und eigentlich sei sie der Ansicht gewesen, das sei außerhalb von deren "Schutzauftrag" passiert.

Das führt zum vierten und zentralen Vorwurf: In dem Schreiben wird Karl und Katharina Nehammer vorgeworfen, sie hätten bei Cobra-Direktor Bernhard Treibenreif interveniert, um den Unfall als Privatsache darzustellen. Karl Nehammer sprach in dem Zusammenhang von einer Lüge, Katharina Nehammer bestreitet, dass sie deswegen persönlich bei der Cobra aufgetaucht sei. Gegen die Nehammers wird, soweit bekannt, nicht ermittelt.

Ob tatsächlich ein Protokoll geändert oder falsch erstellt wurde, prüft nun die Staatsanwaltschaft in Korneuburg – der Fall wanderte aus Wiener Neustadt dahin, um den Anschein von Befangenheit zu vermeiden, da das Cobra-Hauptquartier in Wiener Neustadt liegt. Auch an die Oberstaatsanwaltschaft Wien ging ein Bericht.

Treibenreif weiß von nichts

Dem Vernehmen nach soll vor allem eine Passage aus dem anonymen Schreiben als Grundlage für die Ermittlungen gegen Treibenreif dienen. Dieser soll "Jungoffiziere" der DSE (Direktion für Sondereinheiten) angewiesen haben, "den Vorfall so zu protokollieren, dass dieser außerhalb der Dienstzeit geschehen sei". Für die Justiz wirkt das anonyme Schreiben jedenfalls offenbar so authentisch, dass man aufgrund der detaillierten Informationen darin von einem Insider auszugehen scheint und sich deshalb dazu veranlasst sieht, die Sache genauer untersuchen zu müssen.

Treibenreif selbst will sich dazu nicht äußern. Das kann auch daran liegen, dass er scheinbar aus den Medien von den angeblichen Ermittlungen gegen ihn erfahren hat.

Wie DER STANDARD erfuhr, wird der Anfangsverdacht von der Justiz erst geprüft, davon bekommen Betroffene in der Regel eigentlich noch gar nichts mit. Treibenreif wies schon beim Aufkommen der Affäre alle Vorwürfe von sich und kündigte seinerseits eine Anzeige gegen den Briefeschreiber an.

Ausweitung denkbar

Treibenreif ist der einzige Beamte, der in dem anonymen Schreiben namentlich genannt wird. Dass er nun im Zentrum der Ermittlungen steht, ist also naheliegend.

Sollte sich der Verdacht gegen ihn erhärten, stellt sich laut Katharina Beclin, Assistenzprofessorin für Kriminologie, die Frage, "ob es sich um eine reine Beweismittelverfälschung handelt oder doch im Kontext von der Anstiftung zum Amtsmissbrauch ausgegangen werden kann". Werden Beamte zum Amtsmissbrauch angestiftet, können auch die Anstifter oder Anstifterinnen belangt werden – egal ob sie Beamtinnen oder Beamte sind oder nicht. (Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 13.4.2022)