Diekmann liebt zweierlei: Geheimnisse und das Rampenlicht. Nicht immer geht sich beides nebeneinander aus.

Foto: Imago / Future Image / Christoph Hardt

Es ist ein absolutes No-Go – oder zumindest nicht üblich für Berater, die sich für gewöhnlich im Hintergrund halten. Kai Diekmann hat es trotzdem getan. Der ehemalige Chef der deutschen Bild-Zeitung begleitete Kanzler Karl Nehammer vor einer Woche auf seiner Reise nach Kiew.

Diekmanns PR-Agentur Storymachine steht der ÖVP bereits im laufenden Untersuchungsausschuss beratend zur Seite. Neu ist, dass Diekmann nun offenbar zu den engeren Einflüsterern des Kanzlers avanciert. Zusammengeführt haben soll die beiden dessen Ehefrau, Katharina Nehammer.

In der Ukraine versprach sich der Kanzler vor allem von Diekmanns Kontakten zu den Klitschko-Brüdern einen Vorteil. Man traf sich vor Ort, ließ sich gemeinsam ablichten. Mit auf dem Foto: Kai Diekmann. Der Berater stand mit verschränkten Händen zwar auf der Seite, aber ein Stück weiter vorn als alle anderen. Diekmanns etwas süffisanter Blick lässt vermuten, dass er sich hier ganz bewusst ins Zentrum gestellt hatte. Wer ist dieser Mann?

Diekmann als Mastermind

Diekmann, 57 Jahre alt, zählt zu den schillerndsten Medienmenschen in Deutschland. Er hat sein halbes Leben bei der Bild-Zeitung verbracht. Dort begann er seine journalistische Laufbahn 1985 in der Axel-Springer-Journalistenschule in Hamburg. Am Ende war er Gesamtherausgeber der Bild-Gruppe.

2017 verließ er das Unternehmen. Nach der Bild-Ära gründete Diekmann gemeinsam mit dem ehemaligen Chefredakteur von stern.de, Philipp Jessen, und dem Eventmanager Michael Mronz, dem Witwer des verstorbenen deutschen Außenministers Guido Westerwelle (FDP), die PR-Agentur Storymachine mit Sitz in Berlin.

Hauch des Geheimnisvollen

Dass sie der Hauch des Geheimnisvollen umweht, dürfte nicht stören. "Seit Jahren rätselt die Medienbranche, was die (...) eigentlich machen. Was verkaufen die?", fragte die Zeit vor einem halben Jahr und kam zum Schluss, es handle sich um "Scheinfluencer". Eine Anfrage des STANDARD für ein Gespräch blieb unbeantwortet. "Unsere goldene Regel ist: Wir reden nicht über unsere Projekte", sagte Jessen einmal dem Branchenblatt Meedia.

"We power your Message", heißt es auf der Website. Es geht darum, Unternehmen und Persönlichkeiten gut dastehen zu lassen, weniger in den klassischen Medien, sondern in den sozialen Netzwerken. In einem prominenten Fall hat das nicht so gut geklappt.

Zu Beginn der Pandemie erstellte der Bonner Virologe Hendrik Streeck im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung eine Studie im Landkreis Heinsberg, das nach einem Corona-Ausbruch im Karneval zum Hotspot geworden war.

Die Arbeit und die Veröffentlichung der Studienergebnisse wurden von Storymachine flankiert. Am Ende sah sich Streeck viel Kritik ausgesetzt. Der Tenor: Er habe nicht unabhängig gearbeitet, sondern geliefert, was die Politik wollte, nämlich den Aufruf zu Lockerungen. Die Zusammenarbeit mit Storymachine bezeichnete er später als "Fehler." Streeck: "Die wissenschaftliche Arbeit war gut, die Kommunikation dazu schlecht."

"Wir sind Papst" im U-Ausschuss

Nun versucht Diekmann in Österreich sein Glück. Wie die ÖVP zu Wochenbeginn dem STANDARD bestätigte, hat Storymachine einen Exklusivvertrag mit der Volkspartei und dem Parlamentsklub, allerdings nicht mit dem Kanzleramt, wie es heißt. Im Zuge dessen wurde bereits Georg Streiter, der Ex-Ressortleiter Politik der Bild und ehemalige Sprecher der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, an die türkise Fraktion im U-Ausschuss als Kommunikationsberater vermittelt. Auf Streiter geht die bekannte Bild-Schlagzeile "Wir sind Papst" zurück.

Beratung kann die ÖVP im U-Ausschuss wohl auch gut gebrauchen. Bei Aufklärung der Ibiza-Affäre, die sich vor allem mit den Freiheitlichen beschäftigten sollte, fand sich am Ende immer mehr die Kanzlerpartei im Fokus. Man geriet in die Defensive. Von Kanzler Sebastian Kurz abwärts schlugen die Türkisen rhetorisch um sich. Sie redeten die Justiz schlecht und bezeichneten den U-Ausschuss als "Löwinger-Bühne". Das soll jetzt professioneller werden, heißt es.

Ab dann gerät der Informationsfluss ins Stocken. Über konkrete Vertragsdetails, etwa weitere Aufgabengebiete der Storymachine, will die ÖVP nicht sprechen. Es gehe schlicht um Beratung, wird ausgerichtet. Selbst so mancher Mandatar in der ÖVP weiß darüber nicht mehr als das. Auch von Diekmann kommt auf Anfragen des STANDARD keine Antwort mehr.

Merkwürdigerweise ergriff diese Woche aber einmal die ÖVP für ihn das Wort. "Natürlich habe ich von den Plänen gewusst", wird der ehemalige Journalist knapp zitiert. "Nein, ich habe nichts weitergeleitet."

Mit Putins Badehose im Meer

Davor gab es Verwunderung darüber, dass ausgerechnet die Bild vor allen anderen Medien am vergangenen Sonntagabend über den Termin des Kanzlers mit dem russischen Despoten Wladimir Putin in Moskau berichtet hatte. Hierzulande wurde eigentlich eine Sperrfrist bis zum nächsten Tag festgelegt.

An Diekmann schätzt die ÖVP, dass er als Chefredakteur in nahezu alle Kriegsgebiete gereist sei und daher entsprechende Kontakte mitbringt. So traf er beispielsweise auch Putin häufiger. Der Ostsee-Zeitung erzählte Diekmann kürzlich, dass er sich im Jahr 2001 von Putin eine Badehose geliehen habe und mit ihm im Schwarzen Meer geschwommen sei.

Diekmann blickte in dem Interview aber auch auf ein Treffen mit Merkel im Jahr 2007 zurück. Da habe Putin seinen Labrador im Raum gelassen, obwohl er gewusst habe, dass Merkel Angst vor Hunden habe. Aus Diekmanns Sicht sei das eine Machtdemonstration gewesen. Putin habe Merkel damals einschüchtern wollen.

In Österreich sorgte Diekmann auch gleich für Stunk. Der ausgewiesene Russland-Experte Gerhard Mangott hielt den Termin mit Putin im Vorfeld für keine gute Idee, da Nehammer dem russischen Despoten so vor allem "grandiose Fernsehbilder" liefere. Mangott irrte sich, das Gespräch mit Putin verlief ohne Kameras, eine Pressekonferenz gab es nicht.

Diekmann ätzte auf Twitter: "Irgendwann müssen wir mal den Begriff ‚Experte‘ neu definieren." Auch hinter den Kulissen sollen sich die Kanzlerleute über Mangotts Einschätzung geärgert haben. Mangott entgegnete auf Diekmanns Ausritt: "Das ist Gossenniveau!"

Hoffen auf den Kurz-Effekt

Nehammer jedenfalls kann sich jetzt über Unterstützung Diekmanns freuen. Dieser promotete auf Twitter ein Interview des Kanzlers mit der Berliner Polit-Plattform The Pioneer über die Russland-Reise. "Wenn Sie heute nur ein Interview lesen oder hören wollen – dann dieses!", schreibt Diekmann.

Vielleicht soll ja auch Nehammer in der Bild-Zeitung eines Tages so gute Schlagzeilen bekommen wie Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Der war, schon als Außenminister, bei Bild und Diekmann gerngesehen, das Wohlwollen blieb auch nach Diekmanns Abgang.

Regelmäßig speiste Kurz bei Springer, wenn er in Berlin war, im Berliner Kanzleramt klagte man, dass diese Termine mit Springer für Kurz wichtiger seien als mit Kanzlerin Angela Merkel. Es gab dann aber auch schöne Schlagzeilen. "Warum haben wir nicht so einen?", fragte Bild nach Kurz’ Wahlsieg im Herbst 2017.

Da ist bei dessen Nachfolger Karl Nehammer allerdings noch viel Luft nach oben. "Ösi-Kanzler plant Blitz-Reise zu Putin, Ukraine entsetzt", hieß es dort, als Nehammers Moskau-Mission publik wurde. Betitelt war die Story mit einem Zitat des Vizebürgermeisters von Mariupol: "Das gehört sich nicht zur heutigen Zeit." (Birgit Baumann, Jan Michael Marchart, 16.4.2022)