Kultursponsoring und Ethikfragen waren bereits vor dem Ukraine-Krieg Thema, nun wird noch genauer hingeschaut, woher welche Gelder stammen.

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Durch die kriegsbedingt laufend verschärften Sanktionen gegen Russland gerät zunehmend auch das Thema Sponsoring ins Fadenkreuz und wirft Fragen auf. Etwa nach welchen Kriterien die Kulturbranche ihre Gönner auswählt, ob und welche ethischen Richtlinien dabei zur Anwendung kommen? Oder ob es dabei doch nur um die Höhe des künftigen Geldsegens geht und der geschäftliche Background und die Wertehaltung der Gönner keine Rolle spielt?

Gerade im Umfeld staatlich subventionierter Institutionen und Festivals, wo die Kulturpolitik die Akquise von Drittmitteln voraussetzt, wäre ein gewisses Maß an Umsicht erwartbar. Tatsächlich gibt es aber weder Vorgaben noch Empfehlungen, die von öffentlicher Seite in ihre Funktionen bestellten Generaldirektorinnen, Geschäftsführer und Präsidentinnen haben gänzlich freie Hand. Bei aller Professionalität birgt das dennoch Risiken. Vor allem wenn es um moralische Integrität und künstlerische Glaubwürdigkeit öffentlicher Institutionen geht, wovon Sponsoren ja gezielt profitieren wollen.

Wirtschaftliche Bedeutung gering

Ein STANDARD-Rundruf unter Bundesmuseen gewährt Einblick in die gelebte Praxis. Der größte gemeinsame Nenner: Die Sponsoren wollen sich bitten lassen, proaktiv würden sie selten bis gar nicht an die Einrichtungen herantreten, wie das Belvedere, das Museum für angewandte Kunst (Mak) und der KHM-Museumsverband mitteilen.

Die wirtschaftliche Bedeutung spielt eine überraschend untergeordnete Rolle: Gemessen an den Gesamteinnahmen, inklusive Basisabgeltung, variieren die Anteile von 1,79 Prozent (Mak) bis zu fünf Prozent (Belvedere). Die Albertina wollte sich zu diesem Themenkomplex nicht äußern und ließ die Anfrage gänzlich unbeantwortet.

Den übermittelten Rückmeldungen zufolge orientieren sich die Museen bei der Auswahl auch an den ethischen Richtlinien des Internationalen Museumsrats Icom, wenngleich diese Sponsoring nicht eigens berücksichtigen. Ein Problem, dessen man sich bewusst ist, wie Icom-Geschäftsführerin Elke Kellner im Gespräch bestätigt. Ein Diskussionsprozess dazu sei bereits angelaufen und eine Arbeitsgruppe damit befasst.

Anknüpfungspunkte gefragt

Im Mak loten Geschäftsführung, Kuratorinnen und Projektverantwortliche gemeinsam aus, welche Unternehmen oder Partner zu einem Projekt passen würden. Förderungen, großteils seitens der EU, spielen dort übrigens eine größere Rolle als klassisches Sponsoring. Im KHM legt man Wert auf inhaltliche Anknüpfungspunkte zwischen den Unternehmen und den Museen, gegebenenfalls auch zu den Themen der Ausstellungen.

Ausgeschlossen hat man dort politische Parteien und deren Vorfeldorganisationen sowie Vorhaben von Unternehmen, die mit "hohen Risiken etwa für Mensch, Tiere oder Umwelt verbunden sind bzw. kein sozial adäquates Ziel verfolgen (Waffenindustrie etc.)". Mit Glücksspiel hat man offenkundig kein Problem: Der seit 2017 mit Novomatic bestehende Vertrag als Sponsor des Weltmuseums läuft demnächst aus. Als Generalpartner hat man die OMV an Bord, die wie die Raiffeisen Bank International (Partner Weltmuseum) auch an ihren Russland-Geschäften festhält und daher zusehends in die Kritik gerät.

Die in dieser Branche aktiven Geldgeber stehen derzeit intensiver auf dem Prüfstand als je zuvor. Davon kann man bei den Salzburger Festspielen derzeit ein Lied singen. Wie berichtet, sieht man sich abseits der Currentzis-Debatte dort jetzt auch noch mit multiplen Vorwürfen gegen einen Sponsor, konkret das Schweizer Bergbauunternehmen Solway, konfrontiert. Eine Prüfung ist im Gange. Festspielpräsidentin Kristina Hammer hat nun die Erarbeitung eines Ethikkodex angekündigt.

Neos sehen Handlungsbedarf

Dringenden Handlungsbedarf sehen die Neos, die dazu jetzt eine parlamentarische Anfrage eingebracht haben. Ihr Argument: "Der Kultursektor darf nicht für politische Interessen, egal von wem, missbraucht werden." Denn "Verflechtungen von Kultur, Wirtschaft sowie Politik dürfen nicht auf dem Rücken der Öffentlichkeit ausgetragen und von Steuergeldern bezahlt werden".

Mangelnde Sensibilität in der Kulturszene ortet auch Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verbands Austria, "vor allem im Vergleich zum Sozial- oder Umweltbereich", wie er betont. Für wissenschaftliche Einrichtungen habe man im Auftrag des Bundes Guidelines entwickelt, für die Kultur war das bislang kein Thema. Bei der "Fachtagung für Kulturfundraising und -sponsoring", die kommenden Donnerstag in Wien stattfinden wird, ist jedenfalls für Gesprächsstoff gesorgt. (Olga Kronsteiner, 22.4.2022)