Nach Schätzungen der Denkfabrik Bruegel wurde in die EU zuletzt täglich russisches Öl im Wert von etwa 450 Millionen Euro importiert.

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Berlin stand lange auf der Bremse in Sachen Ölembargo gegen Russland. Vergangene Woche deutete sich ein Kurswechsel an. Deutschland habe es geschafft, die Abhängigkeit von russischem Öl von 35 Prozent vor Beginn des Ukraine-Krieges innerhalb von acht Wochen auf zwölf Prozent zu senken, erklärte der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck. Die deutsche Bundesregierung dürfte sich in den Vorgesprächen zu einem sechsten Sanktionspaket auf die Seite der Befürworter für ein Einfuhrverbot für russisches Öl gestellt haben.

Ein entsprechender Beschluss der EU ist damit zumindest wahrscheinlicher geworden. Die Bedenken anderer Länder wie Österreich, Ungarn, Spanien, Italien, Griechenland und der Slowakei sind aber nicht ausgeräumt. Die Slowakei und Ungarn sind vor allem wegen ihrer großen Abhängigkeit von russischem Öl gegen ein rasches Einfuhrverbot. Österreich würde ein Ölimportstopp hingegen viel weniger schmerzen als ein Stopp von Gaslieferungen.

Kritik an Österreichs Zögern

Österreich sei eines der letzten EU-Länder, das sich nicht zu einem Ölembargo durchringe, obwohl es nur ein Zehntel seiner Öllieferungen aus Russland beziehe, klagte jüngst die Klimaexpertin von Greenpeace Österreich, Klara Maria Schenk: "Diese mutlose Position droht, den EU-Konsens zu torpedieren – das ist unverzeihlich."

Wie es mit den Embargoplanungen weitergeht, wird sich wohl in den kommenden Tagen weisen. Die EU-Kommission will so schnell wie möglich den Entwurf für ein neues Paket mit Russland-Sanktionen präsentieren. Fraglich ist, welche Übergangsfristen bei einem Ölembargo gelten sollten. Laut Informationen der dpa könnte die Einfuhr russischen Öls noch bis Herbst oder sogar bis in den Winter zugelassen werden. Und das neue Sanktionspaket könnte wegen weiterem Abstimmungsbedarf noch etwas länger dauern.

Schmerzliche Folgen für Russland

Für Moskau hätte ein Stopp der Öllieferungen in die EU schmerzliche Folgen. Nach Schätzungen der Denkfabrik Bruegel wurde in die EU zuletzt täglich russisches Öl im Wert von etwa 450 Millionen Euro importiert. Ohne europäische Abnehmer müsste Russland einen Platz für rund 2,5 Millionen Barrel Öl pro Tag finden.

Gelänge es nicht, diese Menge rasch zu verkaufen oder einen geeigneten Lagerplatz zu finden, halten Experten die Wahrscheinlichkeit für groß, dass Russland seine Ölproduktion wegen seiner begrenzten Lagerkapazitäten drastisch drosseln muss. Das könnte Russlands Wirtschaft, die heuer ohnehin kräftig schrumpfen wird, eine Abwärtsspirale bescheren. (Regina Bruckner, 2.5.2022)