Warten auf das Einsteigen: Auch in Deutschland will man von einer Reservierungspflicht eher nichts wissen.

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Der Schnellzug von Zürich nach Wien ist bis auf den letzten Platz besetzt. Nur über ganz wenigen Sitzen leuchtet an diesem Sonntag keine gelbe Leuchtschrift, die eine Reservierung anzeigt. Ein Pensionist aus Feldkirch hat einen dieser unreservierten Plätze ergattern können. Nicht wie die Studenten aus Innsbruck, die wenig später die Fahrt nach Wien im Gang sitzend antreten. Dem Pensionisten ging es aber nicht um die paar Euro, die er ohne fixen Sitzplatz spart. Er wollte flexibel bleiben, wie er sagt, und nach seiner Wanderung in den erstbesten Zug nach Hause steigen. Ein Argument, das gegen die Reservierungspflicht spricht?

Fakt ist, dass die Debatte nicht neu ist. Sie kocht immer dann hoch, wenn, wie etwa vergangene Ostern, die Züge der ÖBB zum Bersten voll sind und Reisende ohne Reservierung aus dem Waggon gebeten werden. Eine Praxis, die für reichlich Negativschlagzeilen gesorgt hat. Daher führen Befürworter einer Reservierung auch an: Man könne dadurch die Überfüllung zumindest der Fernzüge verhindern.

Flexibles Reisen

Etwas anders sieht das die ÖBB. Man wolle am "offenen System" festhalten, erklärt Unternehmenssprecher Bernhard Rieder und wirft die Flexibilität ins Rennen. "Kund:innen können jederzeit ohne Reservierung eine Zugreise antreten." Über den gesamten Tag verteilt habe man auf allen Strecken ausreichend Kapazität. Auch wenn er zugeben muss, dass bei gewissen Zügen die Nachfrage diese übersteigen könne. Gerade im Fernverkehr habe man bereits die Auslastungszahlen der Vor-Corona-Zeit erreicht.

Das offene System sei dennoch seit Jahren erfolgreich, da es flexibles Reisen und vor allem Pendeln ermögliche. Der ÖBB-Sprecher verweist diesbezüglich auf die Schweiz und Deutschland, wo man ebenfalls von einer Reservierungspflicht nichts wissen will. Auch hier soll jeder Fahrgast mit gültigem Ticket spontan in jeden Zug einsteigen können. Ganz ausschließen möchte man bei der ÖBB eine Sitzplatzreservierungspflicht, wie es sie auf einigen Strecken in Frankreich oder Italien gibt, aber wohl doch nicht.

Verschiedene Optionen

Zumindest könnte man das so interpretieren, wenn Rieder sagt: "Wir sehen uns aktuell verschiedene Optionen an, wie wir die aktuell starke Nachfrage zu Spitzenzeiten bestmöglich bewältigen."

Die ÖBB will jedenfalls in Zukunft stärker kommunizieren, dass man im Inland für drei Euro einen Sitzplatz reservieren kann. Auf diesem Wege will das Unternehmen eine gewisse Lenkung der Fahrgastströme erzielen, damit das offene System vor allem zu Spitzenzeiten nicht (mehr) so schnell an seine Grenzen stößt. (saum, max, 25.5.2022)