Wer raucht, setzt sich einem unkalkulierbaren Risiko aus. Wenn es nicht Lungenkrebs ist, sorgen zumindest die anderen Folgen des Tabakkonsums für eine verkürzte Lebenszeit.

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Dass Rauchen die Gesundheit zerstört, ist ein vielbewiesenes Faktum. Nach übereinstimmenden Schätzungen gehen in Österreich jährlich rund 15 Prozent aller Sterbefälle auf das Konto von Tabakrauch – das sind mehr als 12.000 Tote pro Jahr.

Lungenkrebs steht ganz oben auf der Liste potenziell tödlicher Rauchererkrankungen. Rund 90 Prozent der diagnostizierten Lungenkarzinome werden mit dem Rauchen in Zusammenhang gebracht. Die Überlebenschancen sind generell eher schlecht: Laut Statistik Austria erleben kaum mehr als 50 Prozent den Jahrestag der Erstdiagnose. Und nur etwa 25 Prozent der Lungenkarzinome werden in einem frühen Stadium erkannt, wo die Chance auf eine Heilung noch gut stehen.

Gene spielen eine Rolle

Der beste Schutz vor Lungenkrebs kann daher nur der Verzicht auf den Glimmstängel sein. Wer dem Tabak hoffnungslos verfallen ist, wird schwer an den gesundheitlichen Folgen zu tragen haben, ein Lungenkarzinom muss jedoch nicht automatisch zu diesen gehören. Warum selbst lebenslange schwere Raucher in vielen Fällen nicht an Krebs erkranken, beschäftigte Forschende schon lange.

Vielfach wird dies auf die Genetik zurückgeführt – und tatsächlich wiesen einige Studien in der Vergangenheit auf Genvarianten hin, die bei Lungenkrebs gehäuft beobachtet wurden. Ein Team des Albert Einstein College of Medicine in New York City kann dies in einer aktuellen Studie untermauern: Die Forschenden um Simon Spivack entdeckten in Lungenzellen Hinweise darauf, dass DNA-Reparaturgene bei einigen Menschen aktiver sind als bei anderen, was ihnen einen höheren Schutz gegen Krebserkrankungen verleihen könnte.

Einzeln sequenziert

Die analysierten genetischen Profile stammten aus dem Bronchialgewebe von 14 Nichtrauchern und 19 leichten, mäßigen und starken Rauchern. Die Lungenzellen wurden dabei von den Forschenden einzeln sequenziert, um Mutationen in ihren Genomen festzustellen. "Diese oberflächlichen Lungenzellen überleben Jahre, sogar Jahrzehnte, und können daher sowohl durch ihr hohes Alter als auch durch das Rauchen Mutationen anhäufen", erklärt Spivack. "Von allen Zelltypen der Lunge sind es diese, die sich am ehesten in Krebszellen verwandeln."

Das zeigte auch die genetische Analyse der entnommenen Zellproben. Wie die Autorinnen und Autoren in der Studie im Fachjournal "Nature Genetics" berichten, nehmen Mutationen in der Lunge mit dem Alter zu, bei Rauchern waren diese Genveränderungen sogar deutlich signifikanter – allerdings dürften nicht alle Raucher im selben Ausmaß davon betroffen sein: Während die Anzahl der Zigaretten zunächst mit einem Anstieg der Zellmutationsraten in Zusammenhang stand, stagnierte diese Entwicklung bei einigen Personen beim Äquivalent einer rund 20-jährigen Raucherkarriere von täglich einem Päckchen Zigaretten.

Mutationsbremse

"Die stärksten Raucher hatten also nicht automatisch die höchste Mutationslast", sagt Spivack. "Unsere Daten deuten vielmehr darauf hin, dass diese Personen trotz ihres starken Tabakkonsums möglicherweise so lange überleben, weil ihre Lungenzellen es geschafft haben, die weitere Anhäufung von Mutationen zu unterdrücken." Diese Nivellierung genetischer Mutationen könnte bei den betroffenen Menschen auf ein sehr effizientes System zur Reparatur von DNA-Schäden zurückzuführen sein, vermuten die Forschenden.

Letztendlich könnte diese Fähigkeit zum Schutz der Erbsubstanz die Erklärung dafür liefern, warum über 80 Prozent der lebenslangen Raucher nie an Lungenkrebs erkranken – und es könnte auch der Grund dafür sein, warum einige Menschen, die nie zum Glimmstängel gegriffen haben, trotzdem ein Lungenkarzinom entwickeln.

Individuelles Risiko

Auch wenn der giftige Tabakrauch zu mehr Zellmutationen in der Lunge führt, hängt die weitere Entwicklung der mutierten Zellen offenbar davon ab, wie gut der Körper kompromittierte DNA wieder reparieren kann, so Spivack und sein Team. Diese Fähigkeit könnte genetische Ursachen haben, aber auch erworben sein. Die Gene sind freilich nicht die einzigen Faktoren, die das Krebsrisiko einer Person beeinflussen dürften.

Was jemandem zu einem effizienteren DNA-Reparatursystem verhilft, bleibt daher weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Debatten. Wahrscheinlich, so die Forschenden, sind die Gründe deutlich komplizierter, als man bisher annahm. Die neuen Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass diese Prozesse auch eng mit der Entwicklung von Lungenkrebs verbunden sind.

"Als Nächstes wollen wir neue Möglichkeiten entwickeln, mit denen man die Fähigkeit einer Person zur DNA-Reparatur quantifizieren kann", sagt der Genetiker Jan Vijg, Co-Autor der Studie. "Das könnte uns in Zukunft ein Werkzeug in die Hand geben, die individuellen Risiken für die Entstehung eines Lungenkarzinoms einzuschätzen." (Thomas Bergmayr, 2.6.2022)