Die Zugreise auf der Weststrecke zwischen Salzburg und Wien ist fast zu kurz, um diese Kolumne ordentlich zu Ende zu bringen. Die Mitfahrenden am Freitagnachmittag befinden sich in einer entspannten Wochenendstimmung. Zwei junge Frauen in Gummistiefeln sind auf dem Weg zum Novarock-Festival, andere zu einem Konzert in Vösendorf, und einige Fußballfans, mit rot-weiß-roten Schals und Stoffhüten, fahren zum Ländermatch gegen Frankreich. Ab Linz wird es eng, wir rücken zusammen. Von meinen Sitznachbarinnen bekomme ich einen Becher gut gekühlten Prosecco angeboten. Ich mache eine Schreibpause, wir kommen ins Gespräch, und das vielzitierte "Verlassen der Filterblase" wird beim Bahnfahren Realität. Wer ein Problem damit hat, kann seinen Kopfhörer aufsetzen.

Ausgebucht, voll besetzt, nur mit Reservierung bekommen Sie einen fixen Platz: Jedes Restaurant würde sich darüber freuen, doch in unseren Zügen soll das ein Problem sein? Ist es nicht großartig, wenn immer mehr Menschen dank Klimatickets und schneller Verbindungen auf den Hauptachsen das Bahnfahren entdecken? Extremer scheint der Kulturwandel nur bei Nachtzugreisen zu sein. Wurde ich vor ein paar Jahren von Freunden noch für verrückt gehalten, weil ich, wo möglich, mit dem Schlafwagen statt mit dem Flieger reiste, gehören Nachtzugfahrten heute zum Standard.

Ist es nicht großartig, wenn immer mehr Menschen dank Klimaticket das Bahnfahren entdecken?
Foto: APA/dpa/Carsten Koall

Doch meine Reiseerzählung hat auch eine andere Seite, denn eigentlich wollte ich neben meinem Termin in Salzburg noch einen weiteren in einer Landgemeinde 15 Kilometer Luftlinie von der Stadt entfernt, absolvieren. Das hätte zweimal Umsteigen mit dem Postbus und 30 Minuten Fußweg erfordert. Am Ende habe ich das telefonisch erledigt. Und natürlich bin ich Freitagabend nach meiner Rückkehr aus dem Westen mit dem Auto vom Bahnhof nach Hause gefahren. Ich habe aufgegeben, in meiner Wohngemeinde in Niederösterreich auf den Busfahrplan zu schauen. Die Frequenz ist zu niedrig, das Angebot zu wenig ausgebaut. Dementsprechend leer bleiben die Busse abseits der Schülerfahrten. Nicht nur bei uns gilt: Für einen großen Teil der Menschen, die abseits der Hauptstrecken leben, bietet der öffentliche Verkehr keine echte Alternative zum Pkw. Mit steigenden Treibstoffpreisen steigt auch die soziale Ungleichheit.

Radwege und öffentlichen Verkehr ausbauen

Das Fahrradfahren ist auf dem Land selten eine Option. Der nächstgelegene Supermarkt ist von mir zu Hause zwar nur drei Kilometer entfernt, doch kein Meter der Strecke auf der stark befahrenen Ortsstraße verfügt über einen Fahrradweg. Wohl oder übel muss ich meinen Kindern die Fahrt mit dem Rad ausreden. Diese bleibt ein Minderheitenprogramm für wagemutige Wochenendsportler auf ihren Rennrädern. In den meisten Gemeinden sieht es ähnlich aus.

40 Prozent aller Autofahrten in Österreich sind kürzer als fünf Kilometer. Das ist eine gute Fahrraddistanz. Mit dem E-Fahrrad erhöht sich diese Strecke auf über zehn Kilometer, womit weit über 60 Prozent aller Autofahrten ersetzbar wären. Bauen wir doch das Radwegenetz auch abseits der Städte aus und erhöhen wir die Frequenz im öffentlichen Verkehr auf dem Land. Die Kosten wären im Vergleich zu dem, was uns der Bau von neuen Schnellstraßen kostet, sehr überschaubar. Solange das nicht geschieht, gilt der Spruch: Volle Züge machen noch keine Verkehrswende. (Philippe Narval, 13.6.2022)