Der Nachhimmel über Neuseeland bot am vergangenen Samstag um 19.30 Uhr Ortszeit ein spektakuläres Schauspiel: Zahlreiche Menschen berichteten in sozialen Medien in Wort und Bild von einer merkwürdigen Spirale, die riesig und nebelhaft über der Südinsel erschienen war.

Sonnenbeschienene Treibstoffwolke

So exotisch das Phänomen aussehen mag, so prosaisch ist die Aufklärung des Rätsels: Ursache war eine Falcon-9-Rakete des US-Unternehmens Space X, die nach der Freisetzung der Fracht im Orbit ihren Treibstoff abgelassen hatte. "Wenn der Treibstoff ausgestoßen wird, haben Sie im Wesentlichen Wasser und Kohlendioxid, die kurzzeitig eine von der Sonne beleuchtete Wolke im Weltraum hervorbringen", erklärt Richard Easther, Physikprofessor an der University of Auckland, gegenüber dem "Guardian".

Sobald die Oberstufe der Falcon-9-Rakete die Fracht – in diesem Fall den Kommunikationssatelliten Globalstar FM15 – ausgesetzt hatte, begann sie mit dem Ablassen des verbliebenen Treibstoffs. Die charakteristische Spirale entstand durch das Trudeln der Rakete während ihres Sturzes Richtung Erde. Man entledigt sich des Treibstoffs so früh wie möglich, um zu verhindern, dass er bei der Rückkehr explodiert und Raketentrümmer über besiedeltem Gebiete herabregnen.

Miniaturspiralgalaxie im Milchstraßenzentrum

Eine Himmelspirale von einem deutlich anderen Kaliber hat indessen ein Team um Lu Xing vom Astronomischen Observatorium Schanghai der chinesischen Akademie der Wissenschaften in den Tiefen des Weltraums erspäht. Die beobachtete Struktur in der Umgebung des Milchstraßenzentrums gleicht einer Miniaturspiralgalaxie, die um einen einzelnen großen Stern rotiert.

Der Stern liegt rund 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernt, am Rand des dichten und staubreichen galaktischen Kerngebietes. Er dürfte laut den im Fachjournal "Nature Astronomy" veröffentlichten Daten 32-mal massereicher sein als unsere Sonne. Umgeben ist der Stern von Brennmaterial in Form eines riesigen rotierenden Wirbels aus Gas und Staub – der Fachausdruck lautet protostellare Scheibe.

Kreisender Unbekannter

Die Scheibe mit einem Durchmesser von etwa 4.000 Astronomischen Einheiten (also der 4.000-fachen Distanz zwischen Erde und Sonne) unterscheidet sich allerdings in gewisser Hinsicht von ähnlichen bekannten Phänomenen. Die Forschenden haben auch eine Idee, wer für die ungewöhnliche Form der Spirale verantwortlich sein könnte. Das Team tippt auf ein (noch) unsichtbares Objekt, das die protostellare Scheibe jenseits ihres äußeren Randes umkreist.

Die drei simulierten protostellaren Scheiben (beginnend unten links) zeigen den Zustand der Struktur während sowie 4.000 und 8.000 Jahre nach der nahen Passage eines großen Objekts. Das obere rechte Bild zeigt die ALMA-Aufnahme des Wirbels.
Illustration: Chinese Academy of Sciences

Aufnahmen des Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA)-Teleskope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile weisen darauf hin, dass sich die Scheibe nicht auf eine Weise zu bewegen scheint, wie man es erwarten würde. Erst die Berechnung dutzender potenzieller Umlaufbahnen eines hypothetischen Himmelskörpers ergab ein Muster, das mit den Beobachtungen übereinstimmte.

Viele Spiralen

Vermutlich sei der Materiescheibe vor etwa 12.000 Jahren ein Objekt mit dreifacher Sonnenmasse sehr nahe gekommen, was zu heute sichtbaren Verwirbelungen geführt hat. "Die gute Übereinstimmung zwischen den Berechnungen, den Simulationen und den ALMA-Beobachtungen liefert einen robusten Beleg dafür, dass die Spiralarme das Ergebnis des Vorbeiflugs eines massereichen Objekts sind", sagte Lu Xing.

Wo eine Spirale ist, könnten vielleicht mehr sein, spekulieren die Wissenschafter. Lu Xing und seine Gruppe halten die dicht besetzte galaktische Zentralregion für eine Umgebung, in der sich die Objekte häufiger gegenseitig beeinflussen. "Es könnte sein, dass das Zentrum der Galaxie vor vergleichbaren Miniaturspiralen nur so wimmelt", so das Team. (tberg, 22.6.2022)